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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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diesen Augen sehen, wie es war zu sterben, vielleicht waren sie gar das Tor zum Jenseits, durch das ihr Großvater gerade geschritten war.
        Insgeheim hatte das kleine Mädchen Angst davor, ihr Großvater könnte plötzlich seinen Mund ganz weit aufreißen, einen fürchterlichen Schrei ausstoßen und seinen Körper von Krämpfen geschüttelt, in seinem Bett winden. Aber zum Glück geschah nichts dergleichen, nur die Glühbirne an der Decke knisterte ein wenig und das Licht flackerte unruhig auf. So war sich das Mädchen zuerst nicht sicher, ob sie tatsächlich in den Augen des Großvaters eine Bewegung wahrgenommen hatte. Sie musste sich ganz weit herabbeugen, um zu sehen, was es war. Kein Zweifel, jemand starrte aus den glasigen Augen zurück, starrte aus der Schwärze der Pupillen zu ihr empor und schaute ihr direkt ins Gesicht! Erschrocken zuckte das kleine Mädchen zurück, ihr Herz pochte in ihrem Leib, und dann rannte sie aus dem Zimmer, so schnell sie ihre Beine nur trugen.
        Als die Eltern des kleinen Mädchens nach Hause kamen, fanden sie ihre Tochter in einer Ecke ihres Kinderzimmers sitzend. Das Mädchen drückte ihr Lieblingskissen fest an sich und zitterte am ganzen Leib.
        »Großvater …«, sagte sie nur, wusste nicht, wie sie sonst beschreiben sollte, was sie erlebt und gesehen hatte.
        Die Eltern wunderten sich noch, was das kleine Kind wohl heute wieder angestellt hätte, und schickten sie ins Bett. Am nächsten Tag wurde der Leichnam des Großvaters entdeckt und aus dem Haus geschafft.
     

14
     
    »Die direkte und (im technischen Sinne) widerstandslose Verbindung zweier elektrisch gegensätzlich geladener Pole bewirkt stets einen Kurzschluss.«
     
    WUNDER DER ELEKTRIZITÄT (DAS GROSSE LEHRBUCHBUCH DER PHYSIK)
     
     
    Der Tisch war reichlich gedeckt. Es gab Kuchen, Pudding, Marzipanbrot, Schokolade, Kekse, gefüllte Pralinen und sonstige Leckereien. Vor allem aber gab es da einen weißen Würfel, der verlockend glitzerte, herrlich duftete und das besondere Interesse von Dr. Freak erregte. Es war ein Stück Zucker, das auf einem silbernen Tellerchen lag und nur darauf wartete, verspeist zu werden. Dr. Freak drehte eine Runde über dem Tisch und setzte dann zur Landung an. Er verlangsamte den Flügelschlag, reduzierte damit die Reisegeschwindigkeit und leitete den Sinkflug ein. Um eine für das Landemanöver vorteilhafte Fluglage zu erzielen, senkte er seinen Hinterleib etwas ab und streckte gleichzeitig die Beine in Richtung des Landeplatzes aus, um möglichst weich aufzusetzen. Zum Glück stellte sich beim Näherkommen heraus, dass das Zuckerstück weitaus größer war, als dies von oben den Anschein gehabt hatte.
        Geschafft! Sicher landete Dr. Freak auf dem Würfelzucker, dessen Oberfläche mindestens zwei auf zwei Meter maß. Kaum hatte er aufgesetzt, war er auch schon vom Geschmack des Zuckers berauscht. Die Sinnesorgane an den Enden seiner Beine überfluteten Dr. Freak mit den angenehmsten Eindrücken. Aufgeregt krabbelte er hin und her, drehte sich im Kreise, presste dabei den Unterleib gegen den Zucker und rieb sich an den feinen Kristallen. Er konnte einfach nicht genug bekommen von den süßen Empfindungen, die seinen Körper wie Orgasmen durchschüttelten. Das Donnergrollen, das er über sich vernahm, erschien ihm zunächst wie eine Offenbarung, aber schon sauste ein stählerner Blitz vom Himmel herab, durchbohrte seinen Rückenpanzer, drang durch die Brust wieder heraus und spießte Dr. Freak auf, bevor er noch wusste wie ihm geschah. Da half alles Zappeln nichts, mit der stählernen Nadel wurde er emporgehoben und quer über den Tisch geführt, dahin, wo die brennenden Kerzen standen, die den Tisch festlich erleuchteten.
        Dr. Freak ahnte instinktiv, wohin die Reise ging. Er schlug verzweifelt mit den Flügeln, strampelte mit den Beinen und brummte in seiner Todesangst was das Zeug hielt. Gleichzeitig war er nicht in der Lage, seinen Blick von der hellen Flamme abzuwenden, die ihn in wenigen Sekunden verbrennen würde. Die ersten Hitzewellen trafen seinen Körper mit aller Macht, und die Spitze der Nadel, die vielleicht einen Meter aus seiner Brust herausragte, tauchte zuerst in das Feuer ein. Der Stahl verfärbte sich glühend rot, und je näher Dr. Freak der Kerze kam, desto weiter breitete sich die Hitze entlang der Nadel aus und schob sich auf ihn zu. Ohnmächtig musste er beobachten, wie ihn die Glut schließlich erreichte und ihm entlang

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