Drachenbraut
Programm, das seine Lebensversicherung war. Und hoffentlich auch die Lebensversicherung dieser Welt.
Je höher er stieg, umso deutlicher konnte er die atmosphärischen Störungen spüren, die ihm den Weg zum Riss in die andere Welt wiesen. Das elektrostatische Knistern legte sich um seinen Körper, versuchte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber diese negative Energie war noch weit entfernt davon, es mit seiner Kraft aufnehmen zu können.
Er gewann weiter an Höhe. Die Temperatur um ihn herum nahm stetig ab. Sie dürfte nur wenige Grad vom Gefrierpunkt entfernt sein, denn der stetige Luftstrom, der seinen Körper umspielte, kühlte seinen Organismus langsam, aber sicher herunter. Die Kälte war jetzt noch kein Problem, später würde sie allerdings eine Herausforderung darstellen, wenn es darum ging, schnell zu reagieren. Er steigerte leicht das Tempo, um seinen Herzschlag zu erhöhen, und verlor dabei jegliches Zeitgefühl.
Automatisch suchten seine Augen nach Orientierungspunkten, einem Sternenbild, etwas, was ihn die bereits zurückgelegte Strecke erkennen ließ. Eine menschliche Handlung. Der Drache brauchte keine Orientierung, er brauchte nur seine Instinkte. Augenblicklich reagierte er und entriss ihm das letzte bisschen Kontrolle. Für ihn spielte Zeit keine Rolle. Nichts spielte mehr eine Rolle.
Sein Atem war jetzt mit jedem Flügelschlag als kleine Wolke sichtbar. Wenige Herzschläge später kreiste er über dem Portal der Alben. Der Riss selbst war unsichtbar. Er spürte es nur an der konzentrierten, tödlichen Kraft, die plötzlich direkt vor ihm in der Nachtluft hing.
Ohne die Sonne konnte er die Thermik nicht nutzen, so musste er Energie aufbringen, um an Ort und Stelle Position zu beziehen, konnte nicht auf die Kraft der Aufwinde zurückgreifen. Sein Herz hämmerte in seiner Brust und versorgte das komplexe Geflecht der Adern unter seiner Haut mit Blut. Die Kälte spürte er nicht mehr.
Er war bereit.
Seine Magie entfaltete sich zu ihrer vollen Stärke. Flüchtig streifte ihn noch ein menschlicher Gedanke, sein eigener menschlicher Gedanke, der jedoch ungreifbar blieb, denn in diesem Moment erschütterte die Wucht des Rituals die Luft. Das Gefüge vor seinen Augen veränderte sich schlagartig. Jetzt konnte er den Riss sehen, und die körperlosen Wesen, die umgeben von einer Aura des Todes dahinter lauerten.
Es hatte begonnen.
Fasziniert starrte Josefine auf das Geschehen. Sie hatte sich an der Hauswand nach unten sinken lassen und die Knie vor den Körper gezogen. Ihre Hände kribbelten, als hätte sie in ein Ameisennest gefasst, und sicherheitshalber presste sie beide Handflächen fest gegeneinander.
Valentin hatte ihr mehr da gelassen, als nur etwas Wärme und einen kleinen Teil seiner Energie. Was sich mittlerweile über ihr ausgebreitet hatte und begann, im Takt ihres Herzens zu pulsieren, schien ein mächtiger Schutzzauber zu sein. Auch ihre Angst hatte er beruhigt und sie konzentrierte sich jetzt voll und ganz auf das Ritual.
Da Dupont der Ratsvorsitzende war und offensichtlich viele Entscheidungen traf, ging sie davon aus, dass er auch bei diesem Ritus federführend sein würde. Nach kurzer Zeit stelle sie jedoch fest, dass es Caroline Heppner war, die sämtliche Kräfte koordinierte und immer wieder an ihren richtigen Platz dirigierte. Hin und wieder nickte sie Mareyha zu, die wortlos ihre Aufgaben übernahm.
Mr. Gibbson, Eduard Konnternontix und Trinidad schienen in den Ablauf des Rituals nicht eingebunden zu sein. Sie konnte nur vermuten, dass ihre Magie wichtig war, um die benötigte Basis an Energie bereitzustellen, aus der das Ritual sich speiste.
Niemals zuvor hatte sie etwas Kraftvolleres oder Urtümlicheres gespürt als das, was durch dieses magische Ritual gewebt wurde. Während sie nach kurzer Zeit nicht mehr unterscheiden konnte, welche Kraft zu wem gehörte, spürte sie Hornets seltsame Magie immer wieder deutlich heraus. Ihr haftete etwas Kühlendes an. Und sie war tiefblau.
Dupont stand direkt neben Eduard Konnternontix und Hornet. Seine Magie surrte, zum Teil so hochfrequent, dass es ihr in den Ohren wehtat. Obwohl sie ihn genau beobachtete, war ihr nicht klar, welche Rolle er spielte. Der gedrungene Magier öffnete immer wieder die Augen und wirkte nervös.
Aber bevor sie anfangen konnte, sich darüber Gedanken zu machen, schoss ein Energieblitz über ihren Kopf hinweg und instinktiv duckte sie sich. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, dann
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