Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Weg hatte sich in einen kleinen Sturzbach verwandelt. Da nirgends ein Licht brannte und die beiden Monde sich hinter den Wolken verbargen, war die Finsternis fast absolut.
Izel hob ihren Federmantel hoch, sodass er darunter vor dem Nass von oben Zuflucht fand. »Ich kenne eine Garstube, in der niemals die Feuer gelöscht werden und wo man zu jeder Stunde des Tages etwas zu essen bekommt. Und nicht nur Hund. Wir müs sen den Hang hinauf.«
Eleborn fragte sich, ob diese Garstube diesseits oder jenseits des Weißen Tors der Tempelstadt lag.
D ie Gärten der Tempelstadt
Nodon wischte sich den zähen Schleim von der Wange, der von einem der Fangarme über ihm getropft war. Fast den ganzen Tag saß er nun schon auf dem goldbeschlagenen Balken des Ankerturms und betrachtete die weitläufigen Gärten der Tempelstadt. Es regnete ununterbrochen, doch der gewaltige, aufgedunsene Körper des Wolkensammlers sorgte dafür, dass er im Trockenen war. Über hundert Schritt musste die Kreatur lang sein, die sich mit ihren Tentakeln am Ankerturm festklammerte, während die Fracht des Schiffes gelöscht wurde, das mit Seilen unter ihrem Bauch festgezurrt war.
Nodon verabscheute diese Wesen. Ihnen fehlte jede Eleganz. Doch heute hatte er kaum einen Blick für das Ungeheuer über seinem Kopf. Er wollte sich ein Bild von den Vorgängen in der Tempelanlage machen. Anders als seine Gefährten suchte er nicht in den Tempelarchiven nach Hinweisen auf das, was sie im Krater erwartete. Das hielt er für Zeitverschwendung.
Zu den wirklichen Geheimnissen würde man Fremde nicht vordringen lassen. Gestern noch hatten Nandalee, Lyvianne und Bidayn darüber geklagt, dass sie endlose Frachtlisten eingesehen hatten, Berichte über Tempelfeste und manchmal – wenn sie Glück hatten – ein paar Zeilen über den Kampf gegen die Grünen Geister. Es schien, dass die Devanthar etwas im Weltenmund errichtet hatten, das die Geister tötete. Aber die Angaben dazu waren so vage, dass man sich kein Bild davon machen konnte, was das genau sein mochte. Ein Zauber? Irgendeine Kreatur, ähnlich den silbernen Löwen, die sie erschaffen hatten? Würde diese Waffe auch gegen Albenkinder wirken? All dies blieb ungewiss.
Einzig Gonvalon schien einen guten Weg gefunden zu haben, an einige nützliche Informationen heranzukommen. Mithilfe einer tolldreisten Verkleidung hatte er sich Zutritt zu allen Archiven des Tempels der Geflügelten Sonne verschafft. Doch auch er war den Geheimnissen des Weltenmundes bisher nicht näher gekommen.
Nodon hatte entschieden, sich unter den Wolkenschiffern umzuhören. Es hieß, deren Lotsen kannten diese Welt so gut wie niemand sonst, doch zu ihrem Treffen – sie versammelten sich in einem roten Zelt auf einem Frachthof unter einem der Ankertürme – hatte er nicht vordringen können. Allein schon auf diesen Turm zu kommen hatte ihn viel gutes Zureden und einen kleinen Silberbarren gekostet.
Die Menschenkinder waren misstrauisch. Das Beben, das die Stadt erschüttert hatte, hatte Angst in ihre Herzen gepflanzt.
Der trübe Tag glitt in graue Dämmerung. Der westliche Horizont färbte sich in schwefliges Gelb. Ein Gewitter zog über den weiten Wald jenseits des Flusses. Es war an der Zeit zu gehen. Nodon hatte von Kreaturen gehört, die nicht Mensch noch Tier waren: Jaguarmänner, die über den Garten wachten. Er wusste nicht, ob das nur wilde Schenkengerüchte waren oder ob es stimmte. Auf jeden Fall hatte er zweimal schattenhafte Gestalten durch die Gärten schleichen sehen. Sie hatten sich geschickt bewegt, waren mit dem Dunkel unter den Bäumen verschmolzen. Einfach bei Nacht über die Mauer der Tempelstadt zu steigen war ganz gewiss keine gute Idee. Diese Wächter waren geschickt. Sie mochten gefährlich werden.
»He, Roter. Meine Schicht ist zu Ende. Du musst jetzt gehen.«
Nodon drehte sich zu dem alten Menschensohn um, der auf der Treppe des Turms stand und zu ihm aufsah. Ihm hatte er sein Bestechungsgeld gezahlt. Der Alte hatte ihn gewarnt, dass er nicht länger als bis Sonnenuntergang bleiben könne.
»Ich komme.« Nodon stieg über die Tentakel weg, die sich nah am Turm um das Goldblech wanden.
»Hast du Lust, mit einem alten Fahrensmann einen Krug Wein zu teilen?« Der Frachtmeister grinste ihn durch seinen grauen Bart an. »Schließlich hast du den Krug ja bezahlt.« Bei diesen Worten klopfte er mit seinem Armstumpf auf die Börse an seinem Gürtel. »Da ist es nur recht, wenn du auch was davon hast.«
Nodon
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