Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
jene Männer beobachtete, die die hauchzarten Fäden der Kokons abrollten und auf Spindeln aus gelben Knochen wickelten.
Sänften wurden von schwitzenden Sklaven über den Markt getragen. An manchen Ständen zeigten sich ganz offen Frauen, die prüfend über die kostbaren Stoffe strichen oder Seidenspindeln kauften. Eleborn hatte gehört, dass auch die berühmteste Hure der Stadt hierherkam. Angeblich kleidete sie sich einzig in die kostbare rote Seide. Gesehen hatte er diese Frau noch nicht, obwohl er oft hier war. Wahrscheinlich war sie einem der Märchen entsprungen, die die Wolkenschiffer auf ihren langen Reisen ersannen.
Der Elf legte den Kopf in den Nacken. Die Wolkentürme waren von Westen herangezogen und bedeckten nun fast den ganzen Himmel. Die Dämmerung tauchte die Wolkenränder in warmes, bernsteinfarbenes Licht. Über dem riesigen Krater war bereits erstes Donnergrollen zu vernehmen. Nicht mehr lange, und das Gewitter würde die Goldene Stadt erreichen.
Plötzlich hatte Eleborn das Gefühl, beobachtet zu werden. Er wandte sich langsam um. Mindestens drei Leibwächter von edlen Damen, die hier das Geld ihrer Liebhaber durchbrachten, hielten ihn aufmerksam im Blick. Doch nicht sie waren es, die er gespürt hatte. Im Schatten eines unscheinbaren Marktstandes, an dem nur weiße Seidenkokons angekauft wurden, entdeckte er eine zierliche Frau mit langem, schwarzem Haar. Ein bunter Federmantel lag über ihren Schultern. Als er sie ansah, lächelte sie voller Verheißung.
Langsam schlenderte er zu ihr hinüber. Wie all dies enden sollte, stand zwar jetzt schon fest, aber er wollte es ihr nicht zu leicht machen.
Sie war mehr als einen Kopf kleiner. Der offene Mantel gewährte freien Blick auf ihren Körper. Um die Hüften hatte sie ein rotes Seidentuch geschlungen, das ein Vermögen wert sein musste. Ansonsten war sie nackt. Auf ihren goldbraunen Leib waren weiße Schlangenlinien und stilisierte Tiere gemalt. Unter ihren Brüsten erhob ein großer Skorpion drohend seinen Stachel.
»Heute ist wohl mein Tag der Skorpione«, sagte Eleborn lächelnd.
Sie zog den Mantel zusammen und nickte leicht zur Seite, als wolle sie ihm andeuten, ihr zu folgen.
»Verstehst du meine Sprache?«
Sie sah zu ihm auf. Ihr Lächeln ließ alle Fragen vergessen. Was für eine Frau! Wieder nickte sie zur Seite. Diesmal machte sie auch einen Schritt.
»Ich komme«, sagte Eleborn in der Zunge der Zapote. In den sieben wichtigsten Sprachen der Menschenkinder hatte er je etwa dreihundert Wörter gelernt. Gerade genug, um in etwa zu verstehen, worum es ging, wenn er eine Unterhaltung auf der Straße belauschte.
»Du beherrschst meine Sprache?« Verblüfft blieb sie stehen, und Eleborn hatte das Gefühl, zum ersten Mal ihr wahres Gesicht zu sehen und nicht die sorgsam einstudierte Maske. Der Elf hob lächelnd die Hand und zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Spalt. »Wenig.«
Sie lächelte noch hinreißender als zuvor. Um ihre Augen bildeten sich kleine Fältchen, und die Farbe, mit der sie auch ihr Antlitz bemalt hatte, bekam feine Risse. »Es wird ein Vergnügen sein, dich tief kennenzulernen. Du siehst sehr angespannt aus. Ich glaube, ich kann dich lockerer machen.« Bei diesen Worten lachte sie kokett.
Eleborn hatte daran nicht den geringsten Zweifel. Gemeinsam verließen sie den Markt der Silberspinner, stiegen durch schmale Gassen tiefer und tiefer, bis sie die ärmlichen Viertel nahe am Fluss erreichten. Hier waren die Häuser selten mehr als zwei Etagen hoch. Hühner liefen auf der Straße umher, und in Bretterverschlägen grunzten Tiere, die ganz sicher keine Schweine waren. Das Straßenpflaster war knöcheltiefem, gelbem Lehm gewichen, aus dem hier und da einige knochenbleiche Kiesel ragten. Die ganze Zeit über sprachen sie kein Wort. Hin und wieder wandte sich die Schöne im Federmantel zu ihm um und schenkte ihm einen Blick. Es war offensichtlich, dass sie dies nicht tat, um sich zu vergewissern, dass er ihr folgte. Es waren Blicke voller Verheißung. Sie begehrte ihn. Eleborn konnte sich nicht erinnern, jemals so angesehen worden zu sein.
Sie hielten vor einem Haus, das sich auf hölzernen Stelzen aus dem Schlamm erhob. Ein übler, modriger Geruch wehte vom Fluss heran. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden, der in einem eigentümlichen, grünen Licht nachglühte, als versammelten sich dort alle Geister aus den Wäldern zu einem riesigen Heer. Erste, große Regentropfen klatschten in den Matsch
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