Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
leichthin. »Wo finden wir die Herrin?«
Der Türwächter zuckte die Schultern. »Sie ist verschwunden, obwohl keiner sie hat gehen sehen«, sagte er unübersehbar unglücklich darüber, dass sein wichtiger Posten durch dieses Verhalten der Seidenen ad absurdum geführt wurde.
Lyvianne sah zum Himmel hinauf. »Wir warten auf sie. Es bleibt noch Zeit.«
Bidayn wünschte sich, sie wäre so ruhig wie ihre Meisterin. Unauffällig musterte sie die gewölbte Decke des kleinen Torhauses, in dem sie standen. War dies ein guter Platz bei einem Erdbeben? Waren die Steine hinter dem weißen Putz wirklich ordentlich gesetzt?
Der Diener verschloss sorgfältig das rote Tor und kauerte sich wieder auf den grauen Stein, auf dem ein schmuddeliges, gelbes Kissen lag. Den Ort, an dem er sein Leben damit verbrachte, darauf zu warten, dass es klopfte.
Eine junge Dienerin blickte von der holzgefassten Brüstung im ersten Stock zu ihnen hinunter. Bidayn kannte sie. Ihre Aufgabe war es, die kostbaren Seidenkleider ihrer Herrin zu hüten. Nun lief sie eilig die Treppe hinab. Obwohl sie sich an einem freundlichen Lächeln versuchte, war ihr deutlich die Missbilligung darüber anzumerken, Frauen im Gewand von Kriegern vor sich zu sehen.
»Die Herrin war enttäuscht, dass ihr ohne Abschied gegangen seid, nachdem sie so gut zu euch gewesen ist«, sagte sie spitz. Ihr langes, honigfarbenes Haar hatte sie straff zurückgekämmt und zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr über die Schulter fiel und fast bis zu ihrer Hüfte reichte.
Sie hat beneidenswert weiße Haut, dachte Bidayn eifersüchtig. Wahrscheinlich bestahl sie die Seidene und nutzte heimlich deren Tinkturen und Salben.
»Wir sind durstig, Mädchen«, sagte Lyvianne in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran aufkommen ließ, wer Herrin und wer Dienerin war. »Ich habe den frischen Pfirsichsaft vermisst, den es hier stets gab. Bring uns zwei Becher davon.«
»Wie Ihr wünscht«, murmelte das Mädchen unterwürfig und eilte in Richtung Küche davon.
Bidayn war noch immer von diesem plötzlichen Wechsel im Verhalten der Dienerin verblüfft, als Lyvianne sich lächelnd an sie wandte. »Mach dir keine Sorgen. Du weißt, dass sie in der Hitze der Mittagsstunden fast immer zu Hause ist. Sie wird kommen. Ich kann es fühlen.«
S icherheit
Zarah spähte zwischen den Vorhängen der Sänfte zu den Wachen und fluchte leise. Erst war sie völlig geschockt gewesen, dass ihre geplante Gefangennahme durch Arcumenna vereitelt worden war. Sie hatte zu den wenigen Auserwählten gehört, denen Barnaba in aller Deutlichkeit geschildert hatte, was die Stadt erwartete, wenn Nangog erwachte. Es gäbe dann nur noch einen einzigen sicheren Ort – hoch am Himmel musste man sein! In den Straßen der Goldenen Stadt wären Leben und Tod allein Glückssache.
Als Arcumenna sie wie irgendeine Dienstmagd genommen hatte, war die Erstarrung von ihr gefallen. Ganz bewusst hatte sie sich aufgeführt wie eine Magd. Ihr machte es nichts aus, wenn jemand dabei zusah, wie sie fickte. Auch nicht, wenn sie an einer schmutzigen Hofwand entwürdigt wurde. Sie hatte Schlimmeres erlebt.
Ganz bewusst hatte sie die Gebrochene gespielt. Sie hatte kein Interesse an Arcumenna mehr. Sie wollte fort von hier. Dort, wo das Schicksal Barnaba und all die anderen Gläubigen hinführen würde, war ihr Platz. Sie hatte gehofft, dass Arcumenna erkannte, dass er mit seiner Tat nicht nur sie, sondern vor allem auch sich selbst gedemütigt hatte. Hatte gehofft, dass er an einem apathischen Wrack alles Interesse verlieren würde. Stattdessen hatte er sie waschen lassen, sie in dieses kratzende Kleid gesteckt und der Willkür einer Dienerin überlassen, die sich wohl schon ausmalte, wie sie ihren Platz im Bett des Arcumenna übernehmen würde. Zarah lachte. Es war ein harter, freudloser Laut. Dann blickte sie wieder nach draußen.
Sie hatten gerade das Portal am Fuß der langen Treppe passiert, die hinauf zum Palast des Statthalters der Ischkuzaia führte. Es war nun nicht mehr weit bis zu ihrem Stadthaus. Dies war eines der besseren Viertel. Die Häuser waren hoch und aus Stein errichtet. Sie stellte sich vor, wie die Wände auf die Straße stürzten. Es blieb nicht mehr viel Zeit, und sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Doch auch das war nicht mehr ihre Sorge. Nicht sie entschied, wohin sie ging. Fünf Krieger aus Arcummenas Leibwache, angeführt von dem Einäugigen Horatius, eskortierten ihre Sänfte. Horatius war unter allen
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