Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Tunnel, der zu den Zwingern führte. Panisch sah sich der Gutsherr um. Er musste fliehen! Aber wohin? Er durfte nicht im Freien erwischt werden. Schon öfter hatte er gesehen, was Bluthunde mit flüchtigen Arbeitern anstellten. Und diese Bluthunde waren Streicheltiere im Vergleich zu der Bestie, die in der Arena geboren worden war. Verzweifelt blickte er auf den schmalen Riegel an der Tür der engen Kammer. Sieben Kammern wie diese und eine große, die viele Gäste aufnehmen konnte, umringten die Hundearena. Der Riegel war nur dazu da, um ungestört zu bleiben, falls man etwas anderes tun wollte, als sich am blutigen Gemetzel zu ergötzen. Einem ernsthaften Ansturm würde er nicht standhalten.
Manasses Blick blieb an der Fackel haften. Sie würde ihn retten. Als er sie aus dem Bronzehalter an der Wand zog, hörte er, wie unten eine Tür zersplitterte. Die Bestie hatte den Zugang zur Treppe, die hier hinaufführte, aufgebrochen.
Mit zitternden Händen tastete der Gutsherr nach dem Glasfläschchen. Deutlich konnte er scharrende Laute auf den Stufen hören. Stumm in sich hineinfluchend, riss er den dünnen Lederriemen vom Hals, als es ihm einfach nicht glücken wollte, den Verschluss des Fläschchens zu öffnen.
Er hörte, wie die Bestie draußen witternd von Tür zu Tür ging. Der Hals der Phiole brach, die Hälfte des gelben Pulvers rieselte zu Boden, und beinahe wäre die Flasche Manasses verschwitzten Fingern entglitten. Er war inzwischen fast verrückt vor Angst.
Es kratzte an der Tür. Ein tiefes, kehliges Knurren erklang. Wenigstens ein Teil des Pulvers gelangte in die Flammen der Fackel, bevor das Fläschchen doch noch seinen verschwitzten Fingern entglitt und klirrend zu Boden fiel.
Ein dicker, öliger Rauch von schwefelgelber Farbe wölkte auf, als der Sperrriegel aus der Halterung an der Wand gerissen wurde. Die Tür flog auf, und geifernd, mit leicht geducktem Gang schlich die Bestie in die enge Kammer, die Krallenhände vorgestreckt, als wolle sie Manasse damit das Herz herausreißen. Der Gutsbesitzer blies in den gelblichen Rauch, um ihn schneller in Richtung des Ungeheuers zu treiben. Wenn die Kreatur das Zeug doch nur endlich einatmen würde!
Der riesige Hundemann legte den Kopf schief und schnupperte misstrauisch. Es wirkte also! Ermutigt schob Manasse die Fackel vor. »Hau ab, du Vieh!«, schrie er voller Inbrunst und überlegte, wie er Jagd auf die Bestie machen könnte, wenn sie sich in die sumpfigen Flussauen flüchtete. Er hatte schon vor Augen, an welcher Stelle seines Hauses er den Kopf des Ungeheuers ausstellen könnte, als der Hundemann vorschnellte.
Ein einziger Biss trennte Manasses Hand mit der Fackel vom Arm.
C himären
»U nd so begab es sich, dass sich die Göttin in der Erde gegen ihre Fesseln aufbäumte. Und auch wenn sie fern der Macht war, die sie einst besessen hatte, so vermochte sie nun doch Ungemach über jene Welt zu bringen, die aus dem erschaffen worden war, was sie einst Daia gestohlen hatte. Sie rang mit ihren Ketten, ohne sie zerreißen zu können. So war ihr Zorn nur als fernes Donnergrollen zu vernehmen und vermochte nur einige kleine Kinder zu erschrecken, die noch an der Brust ihrer Mütter lagen. Und so sann sie darauf, das Gift ihrer Rache auf andere Art in ihre Welt zu tragen, der fleißige Hände fruchtbare Äcker abgerungen hatten, und wo die Kinder der sieben Reiche Ordnung brachten, wo zuvor nur Wildnis und Chaos geherrscht hatten.
Und ihr böser Wille erstarkte in den Geistern, die durch die Nacht streiften, und gab ihnen eine Zaubermacht, die sie zuvor nicht besessen hatten. So wurden sie zu Seelenverschlingern, die Menschenkinder in der Einsamkeit heimsuchten, um sie eins werden zu lassen mit Geschöpfen der Wildnis und Dunkelheit. So wurden jene Tapferen, die in den Bergen nach dem Gold der Erde suchten, von Geiern und Adlern heimgesucht, und die Geister verschmolzen ihre Leiber und erschufen widernatürliche Chimären, halb Mensch und halb Geschöpf der Wolken. Ähnlich erging es Jägern, die eins mit Wölfen und Tigern wurden. Doch wurde mir auch berichtet von Unglückseligen, die über den Frieden der Totenäcker wachten und die verschmolzen mit jenen, die sich, getrieben von der rachsüchtigen Göttin, aus der Erde erhoben.
Solcherart war dies Übel, dass es überall zugleich geschah, wo Menschen in der Neuen Welt lebten. Und bald gab es keinen Ort mehr, an dem sie vor den Chimären der gefesselten Riesin sicher waren. Doch bald schon ward den
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