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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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bei diesem Anlass gesprochene Formel.
    Er spannte den Bogen und ließ den Pfeil in einer leicht aufsteigenden Linie in die Ferne schnellen, bevor sich seine Flugbahn schließlich senkte und er mitsamt der Opfergabe in die graue See eintauchte.
    „Friede allen Seelen und Geistern“, murmelten die Männer im Chor.
    Daraufhin gab Rajin den Bogen an Wulfgar zurück, und Bratlor Sternenseher bereitete ein weiteres Stück Opferfleisch vor. Diesmal diente es als symbolische Wegzehrung für Herjolf, den die Beißer zerrissen hatten. Sein Geist sollte sich nicht ohne Proviant auf den Weg in die Gefilde Njordirs machen müssen. Aber in diesem Fall war es die Aufgabe des Kapitäns, den Knochenbogen des Wulfgar Eishaar zu spannen und den Pfeil in den grauen Himmel zu schießen.
    Nach einer Weile tauchten die ersten Hilfsschiffe am Horizont auf, die sich an der Bergung des Seemammuts beteiligen wollten. Etwa ein Dutzend von ihnen brauchte man, um den Koloss zu ziehen, falls der Wind günstig stand; ansonsten waren doppelt so viele Schiffe notwendig, denn dann musste das erlegte Seemammut allein mit der Kraft der Ruderer in die Bucht von Winterborg gezogen werden.
    An diesem Tag war der Wind schwach, auch wenn er günstig stand. Zu schwach, um sich allein auf ihn zu verlassen. Also mussten sich die Mannschaften zusätzlich in die Riemen legen, während einige Männer auf dem Rücken des Seemammuts zurückbleiben mussten, um darauf zu achten, dass sich die Zugharpunen nicht lösten und sich die Taue nicht verhedderten.
    „Dir steht das Recht zu, auf dem Rücken zu bleiben, Sohn Bjonn“, sagte Wulfgar zu Rajin. „Schließlich hast du den tödlichen Stoß gesetzt.“
    „Ich nehme dieses Recht gern wahr“, erwiderte Rajin.
    „Deiner Achtung unter den Seemammutjägern von Winterborg wird das sicher förderlich sein.“
    „Ja, Vater.“
    „Und vielleicht hört nun auch so manches dumme Gerede auf, wenn man dich auf dem Rücken des Seemammuts in die Bucht einfahren sieht und jeder der Ehre gewahr wird, die man dir zugesteht.“
    Rajins Gesicht verdüsterte sich nur für einen kurzen Moment. „Ich hoffe, du hast recht“, murmelte er.
     
     
    Es gab manchen in Winterborg, der Rajin als drachenischen Bastard bezeichnet hatte, denn schon bald hatten dessen Gesichtskonturen keinen Zweifel mehr daran gelassen, dass drachenländisches Blut in seinen Adern floss.
    Aber Wulfgar Wulfgarssohn genoss als Anführer jener Sippe, die ihren Ursprung in direkter Linie auf den legendären Wulfgar Eishaar zurückführen konnte, einen nahezu unangreifbaren Ruf auf ganz Winterland und im nördlichen Festland des Seereichs. So wagten die meisten nur hinter vorgehaltener Hand zu äußern, was sie in Wahrheit dachten.
    Mit den Jahren waren die Vorbehalte gegen Rajin mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Er hatte nicht, wie zunächst von manchen befürchtet, das Unglück nach Winterborg gebracht. Ganz im Gegenteil: Njordir hatte den Kapitänen in den Jahren seit dem Auffinden des Knaben überreiche Meeresbeute beschert. Ungewöhnlich viele Seemammuts hatten sie erlegen können, und die gesamte Insel hatte in dieser Zeit einen erheblichen Aufschwung genossen.
    Die ersten Hilfsschiffe erreichten schließlich das Seemammut. Wulfgar Wulfgarssohn war verpflichtet, ihre Hilfe in jener Reihenfolge anzunehmen, in der sie den Kadaver erreichten. Im Zweifelsfall war ausschlaggebend, wer als Erster sein Tau warf, sodass es an eine der Zugharpunen im Körper des Meeresmonstrums festgemacht werden konnte. Diejenigen, die nicht mehr berücksichtigt werden konnten, wurden mit einem vier Pfund schweren Fleischbrocken entschädigt, der an Ort und Stelle aus dem Fleisch des Kadavers herausgeschnitten und mit der Bordwaage abgewogen wurde. Eine solche Waage hatte jedes Seemannen-Langschiff an Bord.
    Innerhalb des Seereichs herrschte das Prinzip der Selbstverwaltung, und so gab es nur wenige Gesetze, die vom regierenden Hoch-Kapitän und dem Kapitänsrat in der Hauptstadt Seeborg verabschiedet wurden. Diese waren dann aber für das gesamte Reich verbindlich, und zu ihnen gehörte unter anderem die Vorschrift, dass jedes Schiff eine geeichte Waage mitzuführen hatte. Zuvor war es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen einzelnen Kapitänen gekommen, die dann sehr häufig mit Schwert und Streitaxt ausgetragen worden waren, was insgesamt der Wohlfahrt des Seereichs nicht zuträglich gewesen war.
    Aber an diesem Tag hatten alle Glück, die sich die Mühe gemacht

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