Drachenfluch1: Zauberschmiedekunst (German Edition)
Tano. Wir diskutierten gerade über die Gründe, die gegen deine Ermordung sprechen. Ein Luxus, den ich sehr genieße, habe ich doch noch mindestens zwei Stunden Zeit, die andernfalls völlig nutzlos verstreichen müssten.“
Jiru brummte etwas zur Bestätigung, dass er zuhörte. Callin war ihm ein Begriff und selbst in seinem jetzigen Zustand wünschte er, vor Panik heulend in die nächste Ecke fliehen zu können. Callin von Berken. Der mächtigste Zauberschmied im weiten Umkreis. Der Alchemist, über den es mehr Gerüchte und düstere Erzählungen gab als über den Schlund mit dessen schaurigen Bewohnern!
Unwillkürlich öffnete Jiru die Lider, die er zuvor erschöpft geschlossen hatte. Er fantasierte, eindeutig.
Schwarze Sandalen aus feinstem Leder erfüllte sein Blickfeld. Callin kniete über ihm.
Nahib stehe mir bei …
„Wenn ich dich töte, würde das mein Schneidwerkzeug beschmutzen. Ich mag das nicht, es ist aus reinem Silber und die Putzerei anschließend sehr mühsam.“ Callin hielt Jiru einen Dolch mit schmaler, matt schimmernder Schneide vor die Nase. „Außerdem bist du jung, offensichtlich gesund …“ Callin packte ihn ruckartig am Kinn, wälzte ihn auf den Rücken, drehte und wendete ihn hin und her, zwang ihm sogar den Kiefer auf, um seine Zähne zu begutachten, als wäre er ein Pferd.
Jiru hielt starr dagegen, doch der große, eher schmale Mann war viel stärker als er. Callin schien nicht so alt zu sein, wie Jiru bei all den Erzählungen über ihn gedacht hatte, höchstens Mitte Dreißig. Rund zehn Jahre älter als er selbst. Von der Adlernase im scharf geschnittenen, sonnenverbrannten Gesicht hatte er gehört, von dem seelendurchbohrenden Blick aus dunklen Augen ebenfalls. Man erzählte sich, dass ihn wie jeder Zauberschmied beständig eine Aura von Kälte und Gefahr umgab, bloß stärker als sonst üblich, und das war offenkundig untertrieben. Niemand hatte ihn vorbereiten können, wie entsetzlich es war, sein Opfer zu sein. Hilflos spürte Jiru die kühlen Finger auf seiner Haut, musste zulassen, dass Callin an seiner Kleidung zerrte und all seine Verletzungen begutachtete. Vor Wut und Abscheu hätte er schreien mögen, was die Angst nicht erlaubte. Gegen diesen Mann, der ihn so gefühllos behandelte wie irgendein Ding, konnte er nichts ausrichten. Gerade diese Gefühllosigkeit war erschreckend. Würde Callin ihn mit Widerwillen, Verachtung oder vielleicht sogar Begehren anfassen, wäre es leichter zu ertragen als dieses wertende Taxieren.
„Jung, ja …“, murmelte Callin desinteressiert. „Wärst du ein Bauer oder ein braver Handwerkerbursche, würde ich sagen, von der Sorte hat man nie genug und es ist nutzlose Verschwendung, ein junges Leben dieser Art zu beenden. Allerdings verrät der Zustand deiner … ähm … Kleidung und deiner körperlichen, nun, Sauberkeit, dass du auf der Straße haust. Für einen Bettler bist du zu gesund, deine Armmuskeln sind gut ausgebildet, deine Waden und Schenkel zeigen, dass du schnell rennen kannst und es häufig tun musst. Ein Dieb also. Davon haben wir tatsächlich viel zu viele.“
Callin gab ihn endlich frei.
Schwer atmend lag Jiru still, unfähig zu denken oder etwas anderes zu empfinden als heillose Furcht.
„Du bist nicht übermäßig groß und zu schmal in den Schultern für einen echten Nordländer, aber bei solch weißblondem Haar hast du ein nordisches Elternteil. Deine Mutter, nehme ich an? Nordländische Väter vererben zumeist mehr Körperlänge.“
Jiru knurrte bestätigend, überrascht von dem Hass, der in ihm aufwallte. Wie konnte diese Pestbeule es wagen, von seiner Mutter zu sprechen?
„Tano, gebt Ihr mir bitte Euer Messer? Der junge Mann ist überflüssig und Ihr wisst ja, ich will meine Klinge nicht unnötig beschmutzen.“
Tano reichte widerwillig schnaubend ein Messer herüber, von Ausmaßen, die fast einem Kurzschwert gerecht wurden. Anscheinend wollte er auch nicht, dass seine schöne Waffe beschmutzt wurde. Jiru konnte im Dämmerlicht der Laterne von Callins Begleiter nichts erkennen, denn dieser hatte sich in einen dunklen Umhang gehüllt, der sein Gesicht verbarg.
Wie hatten die beiden es geschafft, ihre Waffen behalten zu dürfen?
Und welcher Wahnsinnige hat Callin verhaftet?
„Schaut, Tano, er denkt! Er wundert sich über uns und unsere Waffen. Ein kluger Dieb ist er!“ Das falsche, spotttriefende Verzücken, mit dem Callin ihn bedachte, war zutiefst erniedrigend. Jiru konnte seine plötzlich
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