Drachengasse 13, Band 01: Schrecken über Bondingor (German Edition)
erwartet hatte. Und irrte er sich, oder schmatzte da jemand lautstark? Gordorr zuckte erschrocken zusammen und wich zurück, wobei er sich das Gesäß an einem Hindernis stieß, das er genauso wenig sehen konnte wie den Einbrecher. Er drehte sich hin und her und spähte in die Schwärze. War das vielleicht doch ein Tier, ein Raub tier womöglich? Kein schöner Gedanke …
„H…Hallo ?“ , rief er zögerlich. Mit einem Mal fühlte er sich alles andere als furchtlos. „He da. Ihr … Ihr solltet das lassen, Freundchen. Die Stadtgarde ist hier und hat das Gebäude umstellt !“
Das war natürlich gelogen, aber Gordorr wusste längst nicht mehr, was er eigentlich tun sollte. Und war das nicht genau das, was die mutigen Männer der Garde in solchen Momenten sagten?
Statt einer Erwiderung hallte plötzlich ohrenbetäubender Lärm von den Wänden der Halle wider. Polternd fielen Kisten und Fässer um, als sich irgendetwas in ihrer Mitte bewegte, schnell und rücksichtslos. Etwas unfassbar Großes!
Der Nachtfresser! Bei allen Göttern, das muss das Monstrum sein, von dem alle in der Wirtin sprachen. Ich Narr habe ihnen nicht geglaubt … Gordorr erstarrte, und eine Gänsehaut zog seinen Rücken hinauf. Mit einem Mal war er stocknüchtern und hatte butterweiche Knie.
Wie roch Angst? Bis zu dieser Nacht im Hafenviertel hatte er sich diese Frage nie gestellt, nun aber kannte er die Antwort. Angst roch nach kaltem Schweiß, der einem die Kleidung am zitternden Leib kleben ließ. Angst roch nach Schwefel, wie er aus glühenden Vulkantiefen emporstieg. Angst roch nach Albträumen.
Für wenige Sekunden trat draußen der Mond hinter einer Wolke hervor und warf sein Licht durch das vergitterte Fenster in der hinteren Hallenmauer. Es genügte, um Gordorr zu zeigen, was da keine vier Schritte entfernt von ihm auf dem Boden kauerte und sich am kalten Fleisch aus einer Frachtkiste gütlich tat.
Es war etwas wirklich Großes. Es hatte ein Maul voller spitzer Zähne, aus denen heißer Geifer zu Boden tropfte. Zwei riesige, weit aufgeblähte Nüstern bliesen dampfend Schwefelgestank in die Nacht. Und seine zwei Augen waren rot glühende Inseln in einem Meer aus schuppiger Schwärze.
CHAAAAACCCHHHH , fauchte der Albtraum.
Und Gordorr der Furchtlose schluckte trocken, wich zurück und rannte schreiend hinaus in die Nacht.
Eine schlagende Tür und hektisches Fußgetrappel rissen Tomrin aus dem Schlaf. Beides war im Grunde nichts Ungewöhnliches im Hause Wiesenstein. Immer wieder kam es vor, dass Tomrins Vater und dessen Soldaten zu plötzlichen Einsätzen mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden ausrücken mussten.
Normalerweise drehte Tomrin sich einfach nur in seinem Bett um und zog die Decke über den Kopf, um weiterzuschlafen. In dieser Nacht hatte er jedoch nicht besonders gut geschlafen. Er hatte von engen Gassen geträumt, durch die er gerannt war, während er einen buckligen kleinen Burschen mit wehendem Bart verfolgte, ohne diesen jedoch jemals einzuholen. Es war furchtbar anstrengend gewesen, und daher hatte Tomrin es nicht eilig, in die Welt der Träume zurückzukehren.
Stattdessen kletterte der Junge aus dem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe und öffnete die Tür zum Flur. Wenn ich eh schon wach bin, kann ich ja auch mal nachschauen, was los ist , dachte er.
Seine Kammer befand sich zusammen mit denen der Bediensteten unter dem Dach. Tomrin hätte auch ein Zimmer neben dem Schlafgemach seiner Eltern im ersten Stock haben können, aber er liebte die behagliche Enge seines kleinen Reichs. Die schräge Decke und die eingezogenen Dachbalken ließen die Kammer wie eine verwinkelte Höhle wirken. Außerdem konnte er in warmen Sommernächten aufs Dach hinausklettern und sich auf die Schindeln legen, um hinauf zu den Sternen zu schauen und von großen Abenteuern zu träumen.
Als er nun den kurzen Flur entlanglief, um zu der hölzernen Stiege zu gelangen, die nach unten führte, stieß er beinahe mit Isjander zusammen. Der hellhäutige Elf, der seinem Vater als Knappe diente, eilte gerade die Treppe herauf. Isjander war vier Jahre älter als Tomrin, und die beiden kamen nicht besonders gut miteinander aus. Vielleicht lag es daran, dass Tomrin Isjander insgeheim beneidete, weil dieser von Tomrins Vater im Handwerk eines Kriegers unterwiesen wurde und Tomrin nicht. Isjander wiederum schien Tomrin zu beneiden, weil dieser der Sohn des berühmten Ritters Ronan Bärenherz von Wiesenstein war.
„Was machst du
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