Back to Paradise (German Edition)
1 Caleb
Manche Menschen haben unverschämt viel Glück. Dummerweise war ich nie einer von ihnen. Tatsächlich bin ich überzeugt, zu den Leuten zu gehören, deren Schicksal es ist, ständig zwischen die Fronten zu geraten. Während ich auf der Rückbank eines Polizeiautos sitze und die Handschellen sich in meine Handgelenke graben, denke ich an das erste Mal zurück, als ich verhaftet wurde. Das ist jetzt fast zwei Jahre her.
Ich hatte getrunken.
Ich war hackedicht.
Und ich wurde für ein Verbrechen verhaftet, das ich nicht begangen hatte.
Das spielte jedoch keine Rolle. Ich wurde trotzdem in den Jugendknast gesteckt, hauptsächlich deshalb, weil ich mich zu einem Unfall mit Fahrerflucht unter Alkoholeinfluss schuldig bekannt hatte.
Dieses Mal werde ich wegen Drogen verhaftet. Bloß habe ich den Dreck weder geraucht, inhaliert, gefressen, geschnupft, gespritzt oder gekauft. Okay, ich gebe zu, dass ich in einer Drogenhöhle gewohnt habe. Für mich hieß es, entweder ein Dach über dem Kopf haben und den illegalen Mist ignorieren, der um mich herum abging, oder auf der Straße leben.
Ich habe mich für das Dach entschieden. Rückblickend war das vielleicht nicht die klügste Entscheidung aller Zeiten. Auf der Straße leben klingt im Moment ziemlich verlockend. Nichts ist schlimmer, als wie ein Tier in einen Käfig gesperrt zu werden und die Kontrolle über das eigene Leben komplett zu verlieren. Gesagt zu bekommen, wann man kacken, duschen, sich rasieren, essen und schlafen darf, ist nicht gerade meine Vorstellung vom Paradies. Andererseits war auch Paradise , wo ich aufgewachsen bin, nicht gerade das Paradies. Ich frage mich, ob Paradies nur ein Wort ist, das man im Wörterbuch nachschlagen kann und dessen Definition lautet: etwas, das verdammt noch mal nicht existiert.
Ich lehne den Kopf an den Sitz und frage mich, wie ich aus der Nummer wieder rauskommen soll. Ich habe kein Geld, keine echten Freunde, und meine Familie … nun, ich hatte null Kontakt zu meinen Eltern und meiner Schwester, seit ich Paradise vor acht Monaten verlassen habe.
Als wir auf dem Polizeirevier ankommen, eskortieren mich die Cops zu einer Lady, die den aufregenden Job hat, mein Verbrecherfoto zu schießen. Dann bringt mich ein Cop zu seinem Schreibtisch und stellt sich als Lieutenant Ramsey vor.
»Versuch nichts Dummes«, sagt er zu mir, als er die Handschelle von meinem rechten Handgelenk löst und sie an einem Metallring an seinem Schreibtisch festmacht, sodass ich einen Dreißig-Kilo-Schreibtisch hinter mir herziehen müsste, wenn ich fliehen wollte. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass ich nirgendwohin gehen werde.
Nachdem Ramsey mir einen Haufen Fragen gestellt hat, lässt er mich allein. Ich halte nach Rio Ausschau, einem meiner fünf Mitbewohner. Wir sind alle gleichzeitig hochgenommen worden, als Rio und ein anderer unserer Mitbewohner gerade Meth an drei Typen verkauften, die, wenn ihr mich fragt, wie Undercovercops aussahen, die sich bloß als beinharte Gangster verkleidet hatten. Der Goldzahn des einen war verräterisch. Er sah wie aufgeklebt aus, und ich könnte schwören, ich habe mitbekommen, wie der Typ ihn runtergeschluckt hat, als die Attrappe sich irgendwann löste.
Das war kurz bevor sie ihre Waffen zogen und uns anbrüllten, uns auf den Boden zu knien und die Hände über den Kopf zu nehmen. Ich guckte gerade irgendeine Realitysoap über einen Pfandleiher, weil in Rios Geschäfte verwickelt zu werden das Letzte war, was ich gebrauchen konnte.
Rio hatte mich ein paar Mal gebeten, ihm beim Verticken des Stoffs zu helfen, und ich hatte ihm den Gefallen getan. Aber es verleiht mir keinen Kick, Drogen an Typen zu verkaufen, die so verzweifelt sind, dass sie mir ihren letzten Cent dafür geben würden. Als ich das letzte Mal Drogen für Rio verkaufen sollte, war es an einen Kerl mit drei Kindern. Er brachte die drei mit in unser Haus, und als ich ihre langen, ausgemergelten Gesichter sah und ihre kaputten, abgerissenen Klamotten, konnte ich es nicht. Ich weigerte mich, ihm den Stoff zu verkaufen. Nicht dass ich deswegen ein guter Mensch wäre oder so – mir ist natürlich klar, dass er jemand anderen finden wird, wenn ich ihm nichts verkaufe.
»Hör zu, Caleb«, sagt Ramsey, als er eine Mappe aufschlägt, auf der ein Schildchen mit meinem Namen angebracht ist. »Du hast dir mächtig Probleme eingehandelt. Chicagoer Richter sind nicht zimperlich mit Wiederholungstätern, besonders wenn diese in Drogenhöhlen
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