Drachengasse 13, Band 01: Schrecken über Bondingor (German Edition)
Schweigen eingenommen. Kurz nachdem Tomrin aufgestanden war, waren auch Ronan von Wiesenstein und Isjander zurückgekehrt. Nun saßen alle gemeinsam am Esstisch aus schwerem Eichenholz: sein Vater, seine Mutter und Tomrin. Da es Ritter Ronan auch am heutigen Morgen nicht gelungen war, den mysteriösen Nachtfresser unschädlich zu machen, zog er ein finsteres Gesicht, während er dicke Brotscheiben mit Wurst und Käse verzehrte.
Den Vormittag verbrachte Tomrin mit Bruder Barthian, dem Priester der Stadtgarde, der ihn Lesen, Schreiben, Rechnen und Landeskunde lehrte. Er hätte viel lieber gelernt, mit Schwert und Schild zu kämpfen, Bogen zu schießen oder Rüstungen zu flicken. Aber seine Mutter fand, dass Tomrin ohnehin früh genug in die Fußstapfen seines Vaters treten würde. Und sie bestand darauf, dass er zuvor ein paar sinnvolle Dinge lernte. Eine gewisse Bildung gehörte sich für den Sohn des Hauptmanns der Stadtgarde einfach.
Eigentlich machte es Tomrin auch Spaß, gemeinsam mit Barthian alte Heldensagen zu lesen oder mehr über die Rechte und Pflichten eines Bürgers von Bondingor zu erfahren. Am heutigen Morgen aber war er mit seinen Gedanken ganz woanders. Er fieberte bereits dem Wiedersehen mit Sando und Hanissa entgegen.
Nach dem Mittagessen lief er hinunter in die Stadt. Keine halbe Stunde später stand er wieder an der Stelle auf dem Marktplatz, wo er sich am Vortag von seinen neuen Freunden getrennt hatte.
Kurz darauf tauchte Sando auch schon auf. „He! Hallo, Tomrin !“ , rief er, während er auf ihn zulief.
Sando trug noch immer das gleiche schmutzige Hemd und die mehrfach geflickte Hose wie am vorigen Tag, und sein Gesicht wirkte so erhitzt, als sei er den ganzen Weg vom Hafenviertel hergerannt.
„Tut mir leid “ , sagte er schnaufend. „Ich musste Onkel Gump noch helfen und konnte nicht früher los .“
„Macht nichts “ , antwortete Tomrin. „Ich bin auch noch nicht lange hier. Aber jetzt komm. Wir wollen Hanissa nicht zu lange warten lassen .“
Die beiden Jungen eilten über den Marktplatz und dann durch die engen Gassen der nordöstlichen Altstadt. Sie liefen am Fuß eines Hügels entlang, auf dessen Kuppe die Türme, Häuser und Gärten der altehrwürdigen Magischen Universität zu sehen waren. Eine grünliche Dunstwolke erhob sich pilzförmig über dem Universitätsgelände. Offenbar war der Studiengang Alchemie gerade mit irgendwelchen Experimenten zugange.
Kurz darauf erreichten sie die Drachengasse, die sich bis hinauf zur Drachenschule von Bondingor zog, wo unter anderem die Flugdrachen für die Stadtgarde ausgebildet wurden.
„Sieben, neun, elf … “ , zählte Tomrin die Hausnummern an den dicht an dicht stehenden Gebäuden, während sie die breite Gasse entlangliefen. Vor einem dreigeschossigen Fachwerkhaus mit spitzem Giebel blieb er stehen. „13, hier müsste es sein .“
„Da steht aber 15 “ , bemerkte Sando und deutete auf die bronzefarbene Hausnummer, die schief neben der Eingangstür hing.
Tomrin runzelte die Stirn. Er ging ein paar Schritte zurück und vergewisserte sich, dass er sich nicht geirrt hatte. Aber an dem düsteren Steinhaus nebenan prangte eindeutig die Hausnummer elf.
Die beiden Jungen überquerten die Gasse und besahen sich die Häuser auf der anderen Seite, doch auch dort fand sich keine Nummer dreizehn.
„Seltsam “ , murmelte Tomrin und kratzte sich am Kopf.
„Psst !“ , hörten sie auf einmal eine Stimme hinter ihrem Rücken.
Schnell drehten sie sich um, und ihre Blicke huschten suchend über die Häuser.
„Hier bin ich “ , meldete sich die leise Stimme wieder zu Wort. Ein schlanker Mädchenarm winkte ihnen aus einer Lücke zwischen den Häusern elf und fünfzehn zu. Diese Lücke war nicht mehr als ein dunkler Spalt, aber genau dort zeichnete sich nun eine Gestalt ab: Hanissa.
Rasch rannten die Jungen zu ihr hinüber.
„Das hier ist dein Geheimversteck ?“ , fragte Tomrin und sah sich um. Der Durchgang zwischen den Häusern war schmal und mit allerlei Gerümpel zugestellt.
„Sei nicht albern “ , schalt Hanissa ihn. „Es ist dort hinten. Kommt mit .“
Das Mädchen führte sie durch den Spalt, der in einer Art Hinterhof mündete. Er war von allen Seiten von den fensterlosen Rückseiten der umstehenden Häuser eingefasst.
Auch dieser Hof machte keinen sonderlich guten Eindruck. Alte Kisten und Fässer lagen dort herum, daneben morsche Holzbretter, Steinschutt und verbogene, verrostete Metallreste. In der Mitte
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