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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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sagte der Vo r arbeiter und spuckte seine Zigarette hinter sich in den Graben.
    Der Mann beim Laster nickte und drückte auf e i nen Schalter. Mit einem leisen Summen begann sich die Kabeltrommel auf dem Laster zu drehen, und die Metallseile wurden hochgezogen. Zuerst strafften sie sich, dann stockten sie kurz und das Summen der Trommel wurde lauter.
    Die Menge stand schweigend da.
    Das einzige Geräusch war das Summen des Kranmotors.
    Jetzt erschien das lehmverschmierte Kreuz über dem Rand des Grabens, es war mindestens zwei M e ter lang. An drei Stellen waren die Kabel am Balken befestigt, zwei am Längsbalken und einer an dem waagerechten Arm. Durch die daran klebenden Lehmklumpen wirkte der Umriss unregelmäßig und klobig. Ein Stück des Querbalkens fehlte, es war an dem Steinring abgebrochen. Als das Kreuz durch die Luft schwebte, fühlte Stephen sich an eine dieser Rettungsaktionen erinnert, wo hilflose Körper auf irgendeiner Klippe oder einem umgekippten Boot von einem Hubschrauber aus hochgehievt werden. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er die Luft a n gehalten hatte und dass die anderen ringsum dasselbe taten. Alle schwiegen mit reglosen Mienen. Sogar Toms Lächeln war zu einem ängstlichen Strich g e worden.
    Nach zwei Minuten leisem Surren drehte Charlie wieder am Schalter.
    Das Kreuz hing über dem Graben, etwa einen ha l ben Meter über der Erde. Wortlos legte Charlie einen Hebel um, wonach der Kranarm langsam nach links schwenkte. Zunächst ruckte er heftig. Auf halbem Weg begann das Kreuz in der Luft stark zu wackeln und pendelte mit erschreckender Heftigkeit vorwärts und rückwärts. Eine Kabelschlinge verrutschte etwas zum Ende des Balkens hin. Mit kalkweißem Gesicht und starrem Blick verlangsamte Charlie die Bew e gung des Krans. Allmählich nahm das Schwingen des Kreuzes ab und hörte fast ganz auf. Nun hing es nur wenige Zentimeter über dem Metalltisch und immer noch hatte niemand etwas gesagt.
    »Alles klar, Charlie, setz es ab«, sagte der Vora r beiter. Seine Stimme klang vor lauter Erleichterung ganz heiser.
    Charlie ließ die Kabel herab und das Kreuz sank auf den Tisch. Der Motor wurde abgestellt.
    Ein kollektives Seufzen wegen der nachlassenden Anspannung stieg von der Menge auf. Stephens T-Shirt war klatschnass.
    Wortlos, als wären sie von einem Bannspruch b e freit, begannen die Zuschauer sich zu zerstreuen.
    Bei der Mauer klopfte Tom dem Vorarbeiter auf den Rücken und die Arbeiter öffneten Bierdosen.
    Stephen wandte sich rasch ab. Nach all der Spa n nung verspürte er plötzlich ein überwältigendes B e dürfnis nach Bewegung. Zwei Minuten später saß er wieder auf seinem Rad und strampelte wie wild.

 
     
    5
     
    Michael schlug die Augen auf.
    Der Schmerz, der ihn noch vor einer Stunde g e blendet hatte, regte sich zwar wieder, aber schw ä cher, als habe er an Kraft verloren.
    Langsam entspannten sich die Lider und er sah sich zum ersten Mal um. Er saß immer noch auf dem Grund der Senke, zwischen Farnsträuchern, verstre u ten Felsbrocken und Grasbüscheln. Ein paar Wolken hingen zerzupft am Himmel. Alles war noch genau wie zu dem Zeitpunkt – vor einer Ewigkeit –, als er das Buch zur Seite gelegt und die Augen geschlossen hatte.
    Es war alles wie vorhin – aber es war auch anders. Die ganze Welt war in einen roten Schimmer g e taucht. Das Gras, vorhin ein von der Sonne vertroc k netes Gelb, war nun rostrot. Der ehemals blaue Himmel war nun eine graue Weite wie aus gehä m mertem Metall und von einem rosafarbenen Hauch überzogen. Die sommerliche Buntheit wirkte wie ausgeblichen.
    Michael hielt den Kopf fest umklammert und presste die vor der Hitze zurückzuckenden Finge r spitzen auf seine pochenden Lider. Er blickte sich wieder um: Alles war noch so wie vorhin und schien doch seltsam zweidimensional, wie ein Gemälde o h ne Perspektive. Allem fehlte die normale Tiefe, über die er sich bisher noch nie Gedanken gemacht hatte, aber ihr Fehlen versetzte ihm nun einen scharfen Stich.
    Ihn durchzuckte die Frage, ob es gefährlich war, mit solch eingeschränkter Sicht vom Hügel hinabz u steigen. Aber das war nicht wichtig.
    Wichtiger war etwas anderes: Sein körperlicher Zustand stellte ihn vor ein Rätsel. Er fühlte sich e t was kräftiger, und das w ar seltsam, denn es war kaum kühler geworden und immer noch brannte die Sonne nieder. Ein plötzliches Anschwellen der Ene r gie, die seinen Körper von unten nach oben durc h strömte, hatte ihm den Kopf klarer gemacht

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