Froschkuss (German Edition)

 1. Kapitel
    Ich musste dringend. Sehr DRINGEND sogar. Wenn ich nicht gleich auf die Toilette kam, würde ich ins Bett pinkeln. Aber wo war hier das Bad? Ich drehte meinen Kopf zu dem Mann, der neben mir im Bett lag. Daniel hieß er, war Student der Meeresbiologie, hatte ganz tolle dunkelbraune lange Haare und schöne blaue Augen, soweit ich das noch in Erinnerung hatte. Was war gestern Nacht passiert? Ach ja, ich war mit meiner Freundin Karla im Louf gewesen. An der Bar hatte ich Daniel kennen gelernt und nun war ich hier in seinem Bett! Ich fasste unter die Bettdecke: Nein, ein Glück, ich hatte meinen Slip noch an, aber sonst auch nichts. Ich stupste Daniel an, aber der regte sich nicht. Neben dem Bett, auf einem gruselig-grauen Velour-Teppich, lagen mein schwarzes T-Shirt, mein schwarzer Spitzen-BH, meine enge Röhrenjeans und auch meine dunkelbraunen Wildlederstiefel. Ich sprang aus dem Bett, griff mir die Klamotten und öffnete die Tür. Schräg gegenüber war die Küche, die Tür war nur angelehnt und ich erkannte den Herd, auf dem ein dampfender Topf stand. Hatte Daniel etwa einen Mitbewohner, der jetzt schon die Suppe für das Mittagessen aufgesetzt hatte? Merkwürdig, dachte ich und spürte schon wieder meine Blase. Ich ging auf Zehenspitzen links herum, öffnete eine Tür, nein, das war das Wohnzimmer mit Couch, zwei Sesseln und einer Schrankwand aus dunklem Eichenholz. Mann, was hatte der Typ nur für einen Einrichtungsgeschmack! Endlich, die Tür zum Badezimmer. Ich setzte mich aufs Klo und atmete erleichtert aus. Dann klopfte es an der Tür: „Fräulein, Fräulein?“ Vor Schreck fiel ich fast von der Klobrille: „Ja? Was ist denn?“ Mein Herz pochte bis zum Hals, und ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
    „In zehn Minuten sind Sie hier raus! Haben wir uns verstanden?“ Ich spülte und zog mit in Windeseile den BH und das T-Shirt über, das ziemlich durchgeschwitzt war. Als ich mit dem linken Bein in meine Hose stieg, wäre ich fast auf dem rosa Badteppich ausgerutscht, aber ich hielt mich in letzter Sekunde am Waschbecken fest. Ich blickte in den Spiegel. Wie ich aussah! Meine blonden Locken standen nach allen Seiten ab, meine Nase glänzte speckig, und meine Wimperntusche war total verschmiert. Ich zog meine Hose hoch, ließ kaltes Wasser in meine Hand laufen und schüttete alles auf einmal auf mein Gesicht. Schon wieder klopfte es an der Tür, diesmal noch energischer.
    „Fräuuulein!“
    „Ja, ich komm schon“, rief ich genervt, zog ein Haargummi aus meiner Hosentasche und zwirbelte meine Haare zu einer notdürftigen Frisur nach oben. Ich holte tief Luft, öffnete die Tür und blickte vorsichtig nach links und rechts. Okay, der Hausdrache hatte sich offensichtlich zurück in die Küche verzogen, ich hörte das laute Klappern von Geschirr. Daniel trat in den Flur, nur mit einer Unterhose bekleidet, und rieb sich die Augen. Er hatte eine super Figur, alter Schwede, total durchtrainiert und superschlank. Die knappe schwarze Boss-Unterhose war auch nicht von schlechten Eltern. „Was’n los hier?“, nuschelte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
    „Keine Ahnung“, erwiderte ich leise, „da ist so ’ne Tussi, die mich Fräulein nennt, die will, dass ich hier ganz schnell verschwinde ...“
    „Tussi?“ Daniel sah etwas verwirrt aus, hatte sich aber schnell wieder gefasst: „Du meinst meine Mama?“
    Oh, Mann, ich musste weg hier, aber schnell. „Kannst du mir mal meine Stiefel bringen? Ich muss los!“
    Er ging zurück ins Zimmer und kam mit meiner Jeansjacke und den Stiefeln wieder. Ohne noch irgendetwas zu sagen, stieg ich in meine Schuhe und hüpfte zur Tür. Daniel war barfuß schneller und stellte sich mir in den Weg. Er blickte mich mit seinen blauen Augen an, lächelte und berührte ganz leicht meine Wange: „Sehen wir uns wieder?“
    „Daniel?“ Mutti meldete sich wieder aus der Küche zu Wort.
    „Mal sehen, wenn’s deine Mutti erlaubt“, sagte ich nur und schob mich an ihm vorbei.
     
    Ich hatte meinen alten Golf eine Straße weiter geparkt und langsam erinnerte ich mich. Daniel war gefahren, weil ich mindestens sechs Gläser Aperol Spritz auf Eis gesüffelt hatte. Im Auto hatten wir uns geküsst und dann war ich mit ihm in seine Wohnung gegangen. Außer Knutschen war nichts gelaufen, irgendwie hatte er keinen hoch gekriegt, und ich war zu müde gewesen, um mich da richtig reinzuknien ... Aber wo war Karla geblieben? Ich zog mein Handy aus der