Drachengold
Laurence hatte diese Vergünstigung für sie erwirkt, denn natürlich war es undenkbar, einer Dame die Erfahrung zuzumuten, auf einer einsamen Insel ausgesetzt zu werden. Aber er war niedergeschlagen und fühlte sich ziemlich unbehaglich, weil die Anstandsdame ausgerechnet in dem Augenblick nicht da war, wo ihre Dienste so dringend erforderlich gewesen wären.
Demane und Roland blieben noch für Stunden verschwunden, während der Lärm der Seeleute stetig anschwoll und immer hitziger klang. Es schien so, als würde sich ein Streit anbahnen. Sie hatten nicht genügend Essen und Alkohol, um damit zufrieden zu sein. Die ersten Raufereien begannen, und Anfeuerungsrufe ertönten. Die Stimmung schlug langsam um und wurde zunehmend gereizter. Blut spritzte, das sich hell vom Sand abhob, und boshaftes Gelächter ertönte. »So, Kumpels, der nächste Schluck gehört mir!«, schrie Handes und grinste breit, als er sich seinen Weg zu einem behelfsmäÃigen Destillierapparat bahnte. An seinen Fingern klebte Blut.
Laurence drehte sich weg, denn der bloÃe Anblick widerte ihn an und war auch ganz sicher unpassend für die Augen der jungen Offiziere. »Gentlemen, ich denke, wir schicken Sie für ein oder zwei Stunden ins Innere der Insel â¦Â«
»Das geht nicht, Sir«, unterbrach ihn Ferris mit einem Mal. »Passen Sie gut auf, Männer.« Und schon war er aufgesprungen, denn eine Gruppe von Seeleuten kam auf sie zu. Sie hatten sich aus dem Pulk gelöst und zogen jetzt einen Rattenschwanz von Matrosen hinter sich her, sodass es aussah, als ob ein aufgebrachtes Tier eine Pfote ausstreckte. Handes hatte sich an die Spitze gesetzt.
Auch Laurence stand auf, stellte aber fest, dass er und Granby bereits vor den näher rückenden Männern abgeschirmt wurden: Cavendish hatte sich unmittelbar vor Laurence aufgebaut; Granbys Fähnrich Thorne, erst dreizehn Jahre alt, stand neben ihm; Bardesley, Forthing und Ferris hatten sich nach vorn gedrängt, und alle gemeinsam schoben Laurence und Granby auf das Dickicht aus Unterholz und Dornbüschen zu. Im Innern des schützenden Kreises befanden sich auÃer den beiden Kapitänen nur noch Gerry und Sipho. Laurence kam es so vor, als sollten er und Granby wie die Kinder vor Unheil beschützt werden, was er instinktiv unerträglich fand.
Als die Matrosen die Flieger erreicht hatten, bildeten sie einen lockeren Halbkreis um sie. Ihre Augen waren blutunterlaufen, und ihre Haut glänzte von übermäÃigem SchweiÃ. Das Gebräu war nicht unbedingt verträglich gewesen, und mehr als einer der Männer hatte sich bereits übergeben, wovon Ãberreste in den Mundwinkeln und in ihren struppigen Bärten zeugten. Ihr Atem war so alkoholgeschwängert, dass Laurence, der noch ein gutes Stückchen entfernt stand, es deutlich riechen konnte. Handes grinste ihn über Ferrisâ Schulter hinweg mit gebleckten Zähnen an, Unheil im Sinn und blutrünstig. »Es hat keinen Sinn zu streiten, Jungs«, sagte Handes. »Wir wollen euch nichts Böses, aber die Kapitäne werden uns jetzt begleiten. Ich bin mir sicher, die Drachen werden dann schon andere Töne anschlagen, wenn sie wieder zurück sind.«
»Sie werden Hackfleisch aus Ihnen machen und an die Krabben verfüttern, Sie Dummkopf«, erwiderte Granby, »und die anderen Burschen, die nichts mit der Sache zu tun hatten, gleich dazu. Und wohin überhaupt wollen Sie uns bringen?«
»Halten Sie sich fern«, sagte Bardesley mit schneidender Stimme und stieà einen der Seeleute zurück, der sich ihm zu sehr genähert hatte.
Daraufhin griff der Mann unvermittelt an, unterstützt von seinen Kameraden im Schlepptau; wie ein anrollender Rammbock gingen die Matrosen auf die Flieger los, und Laurence wurde ins knackende Gebüsch gedrückt, während die jungen Flieger mit vereinten Kräften darum kämpften, die vorwärtsdrängenden Körper in Schach zu halten. Es war ein seltsamer Ringkampf, ein ungeschicktes Schieben und StoÃen. Die Hiebe, die die betrunkenen Matrosen zu landen versuchten, trafen ihre Gegner oft nur am Rande, wenn sie das angepeilte Ziel nicht gleich gänzlich verpassten. Trotzdem waren die Anstrengungen todernst gemeint und auÃerordentlich bösartig. Hände, deren dazugehörige Körper nicht zu erkennen waren, schoben sich durch die menschliche Mauer, packten Laurence am Arm,
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