Drachenkaiser
volle Kraft.
Die Lena nahm Fahrt auf und schwenkte nach Osten ein.
Silena war entgegen der ärztlichen Anordnung aufgestanden, hatte sich Grigorijs karierten Morgenmantel genommen und war vor die Tür getreten. Sie schaute der Lena hinterher und sandte ihr viele gute Gedanken mit.
Was das Schicksal wieder einmal mit mir und denen, die in meiner Nähe sind, beabsichtigt?, dachte sie versonnen und schob die Hände in die Tasche.
Sie glaubte noch nicht, dass Grigorij wirklich den Titel eines Zaren erlangen würde. Er war der Sohn der Zaritsa und Rasputins. Das Blut in seinen Adern würde seinen Gegnern genügend Gründe liefern, an seiner Befähigung für das hohe Amt zu zweifeln. Dazu kam sein einstiger Ruf als Weiberheld, Säufer, Spieler und nicht zuletzt als Duellant, der viele Menschen getötet hatte.
Ihn aufhalten und ihm die Unternehmung ausreden wollte sie dennoch nicht. Es stimmte: Das russische Volk musste einen Nachfolger präsentiert bekommen, damit es einen Rettungsanker in der unruhigen Zeit erhielt.
Sie hatte sich nicht im Detail mit den Vorgängen in Grigorijs Heimat befasst, kannte nur grob die Forderungen von Bolschewiken und Menschewiken, aber sie konnte mit beiden nichts anfangen. Leicht fiel es ihr nicht, ihn fliegen zu lassen, in ein unfreundliches, gefährliches Sankt Petersburg.
Silena fühlte das Leben, das in ihr reifte, und lächelte. Ein Erbe für Sankt Georg, dachte sie. Aber Drachen jagen wirst du nicht.
Sie drehte sich zum Eingang.
»Großmeisterin, warten Sie! Ich habe etwas für Sie!«
Diese… Stimme?! Silena sah über die Schulter – und zog den Kopf ein: Der Zweihänder verfehlte ihren Kopf und schlug pfeifend ins Holz der Eingangstür; Splitter flogen davon.
Erschrocken wich sie vor dem Mann in dem langen schwarzen Mantel zurück, der sie mit einem wütenden Schrei attackierte. »Brieuc!«
»Ich bin hier, um dich endlich zu bestrafen!«, schrie er. Er stieß zu. Die Schneide glitt an der Seite durch den Mantel und verletzte sie.
Sie standen allein im Eingang. Die Skyguards waren noch in der Luftschiffhalle, weil Grigorij sie dorthin befohlen hatte, um die Lena zum Abflug klarzumachen.
Silena sog die Luft durch die Zähne ein und versuchte, die Angst zu unterdrücken. Wenn sie waffenlos gegen den verwirrten Großmeister überleben wollte, durfte sie nicht in Panik verfallen. Er lachte und deutete mit der Spitze auf sie. »Wenn du wüsstest, wie lange ich dich schon tot sehen wollte: seit zwei Jahren!« Brieuc schwang den Zweihänder spielerisch. »Ademar, Donatus, ich und alle anderen haben dich für deinen Verrat gehasst. Du hast deine Familie – das Officium – im Stich gelassen, Verräterin! Das konnten wir dir nicht vergeben.«
Silena hatte befürchtet, dass die hasserfüllten Worte, die er auf dem Dach in der Verbotenen Stadt zu ihr gesagt hatte, die Wahrheit gewesen waren. Ihr wurde eiskalt. »Es war Ihre Uhr, die Ahmat in Oranienbaum gefunden hatte! Weil Sie das Luftschiff meines Mannes abgeschossen haben!«
Brieuc grinste bösartig. »Wir wollten dich brechen, dich zur Verzweiflung bringen, dir seelische Qualen bereiten, bevor wir dich richten. Deshalb war es wichtig, dass du mich als eine Art Freund siehst und mir vertraust«, erklärte er ihr seinen Plan. »Wir haben dir Fallen gestellt, Attentate in die Wege geleitet. Die Drachenfreunde unterstützten uns ungewollt bei unserem Vorhaben, aber es kam anders, als wir dachten.« Er ging auf sie zu, sie wich zurück. »Du bist dem Tod zu off entronnen. Ich glaubte dich endlich ausgelöscht, als ich aus Beijlng floh. Du kannst dir vorstellen, wie groß mein Hass war, als ich lesen musste, dass du lebst.« Das Schwert deutete auf den Bauch. »Dein Kind, Verräterin, ist der Nachfahre des heiligen Georg. Überlasse es dem Officium …«
»Es gibt kein Officium mehr, Brieuc!« Nun bekam sie doch Angst. Das fanatische Lodern in seinen Augen warnte sie vor dem Wahnsinn, der ihn befallen hatte. Ich hätte niemals geglaubt, dass sie derart fanatisch sind. »Niemand bekommt mein Kind.«
»Oh, ich werde den Papst um das Recht bitten, ein neues Officium zu gründen.« Brieuc sah sie an. »Da du es mir nicht gibst, schneide ich es mir heraus. Es hat schon zu lange im Wanst einer Verräterin gesteckt und verdirbt darin.« »Es wird nicht überleben …«
»Das werden wir sehen.« Sein Sprung vorwärts kam zu schnell, der Zweihänder traf sie gegen das linke Schlüsselbein und brach es, aus dem Schnitt strömte das
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