Drachenkaiser
Blut.
Sie schrie laut auf. Tu etwas, oder du wirst gleich sterben! Silena sah Brieuc auf sich zukommen, die Hände hoch erhoben und das lange, schwere Schwert zu einem tödlichen Schlag ausholend.
Silena hatte nur eine einzige Waffe bei sich. Heiliger Georg! Sie riss sich die Kette mit dem Lanzensplitter vom Hals und drückte sich vom Boden ab, katapultierte sich dem Großmeister entgegen.
Sie prallten zusammen und gingen zu Boden. Dabei schob sie dem Mann das spitze, scharfe Eisenstück bis zum Anschlag ins linke Auge.
Klirrend fiel das schwere Schwert auf die Platten. Brieuc versuchte mit einem Brüllen, das Fragment zu fassen zu bekommen, um es herauszuziehen. Er wand sich schlangengleich, verfiel in Spasmen und biss sich selbst Lippen und Zunge blutig. Der Splitter hatte sein Gehirn geschädigt, ohne ihn umzubringen.
In die Hölle mit dir! Silena bekam den Griff mit rechts zu packen. und wuchtete den Zweihänder trotz des gebrochenen Schlüsselbeins mit einem Schmerzensschrei herum.
Die Klinge traf!
Brieucs Bewegungen erlahmten: Das Schwert steckte waagrecht in seiner Brust, hatte die Knochen durchschlagen und die Lunge zerteilt. Es war die gleiche Art von Treffer, den er dem Drachenkaiser zugefügt hatte. Mit einem Ächzen starb er, das brechende Auge anklagend auf die Frau gerichtet.
Silena erhob sich und taumelte von dem Toten weg. »Du Schwein!«, schrie sie ihn an. »Dieser Tod war viel zu gut für dich! Ich hätte dich und die anderen …« Sie brach unvermittelt in Tränen aus, die Anspannung fiel von ihr ab. Sie hatte gehofft, nach all den Ereignissen in China endlich Ruhe zu finden, doch es schien niemals enden zu wollen. Vielleicht jetzt, mit seinem Tod.
Die ersten Skyguards kehrten von der Luftschiffhalle zurück und kümmerten sich sofort um sie. Sie brachten Silena zu Eisenbeis, während diese einfach nicht aufhören konnte zu weinen.
Dieses Mal allerdings aus Erleichterung.
Epilog
14. März 1927, Sankt Petersburg, Zarenreich Russland
Grigorij sah die herausgeputzten Generäle der Armee, die Popen und den Patriarchen Sankt Petersburgs sowie seinen ganzen Hofstaat, von denen er ganze drei Menschen mit Namen kannte, im Winterpalais versammelt. Wie gern würde ich euch hinausjagen! Er blickte von seinem erhöhten Thron auf sie herab. Die Ansprache, die eben vom Patriarchen gehalten wurde, zog an ihm vorüber. Er hing seinen Gedanken nach.
Auch wenn er seit Tagen der Zar von Russland war, verzichtete er auf die Uniform, die er bei dem Anlass hätte tragen müssen, sondern hatte stattdessen seinen schwarzen Gehrock gewählt. Elegant, stilsicher und dennoch anders als die Herrscher vor ihm. Das war die Botschaft, die er verbreiten wollte.
Außerdem sah Grigorij sich nicht als Romanow an, dessen Wappen und Farben er tragen musste. Er spielte mit dem Gedanken, die rotweiße Fahne des Großherzogtums Hessen und bei Rhein als Grundlage seines eigenen Wappens zu wählen. Seine Mutter stammte von dort, Rasputin war im Ural geboren.
Ein Berg würde sich darauf gut machen. Ein Berg, hinter dem ein blaues Auge als Sonne aufgeht, dachte er über die Gestaltung seines Wappens nach, während er den Hofstaat betrachtete. Das Auge stünde für ihn und die Gabe der Hellsicht.
»…weise, durch die rasche Umsetzung kleinerer Reformen das einfache Volk zu beruhigen«, salbaderte der Patriarch, als habe er die Idee dazu gehabt. »Hoheit gaben ihnen Hoffnung auf mehr und nahmen den Revolutionären den Wind aus den Segeln.«
Grigorij lächelte ihm zu und winkte huldvoll. Stimmten die Informationen der Ochrana, die Vatjankim ihm zugespielt hatte, war der neue Zar bereits beliebter als Nikolaus der Zweite. Heute stand sein erster Einsatz auf dem diplomatischen Parkett an, auf den er sich mit zwei Wodka, einem Whisky, Haschisch und den Resten des Zauberpulvers vorbereitet hatte. Gerade dieses Pulver besaß unglaubliche Wirkung, und das war äußerst gut so. Grigorij benötigte in dieser Lage all seine Kräfte.
Ich werde Vatjankim zum Direktor der Ochrana machen. Er ist fähig, gewissenhaft in der Ausübung seiner Pflicht und doch in der Lage, nicht auf jeden Unschuldigen zu schießen, der ihm begegnet. Er dachte an die Episode in Väddo, die er erzählt bekommen hatte. Manch anderer hätte auf die Dörfler geschossen. Grigorij würde Tilda, Olof und dem Rest wie versprochen als Dank für seine Rettung eine immense Summe in Gold überbringen lassen. Vatjankim ist der Richtige. Er kann ihnen die Barren
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