DrachenKind (German Edition)
hätte vielleicht schon gereicht.“
Jack sah ihn still an. Ihm war klar, dass Eric allein war, gegen hunderttausende oder mehr, er wusste nicht wie viele. Und er wusste auch nicht, wie er die Wächter alle besiegen sollte. Sune stupste ihm aufmunternd mit der Schnauze in den Bauch.
„Bevor du jetzt verzweifelst, werde ich meine Erlebnisse mit dir teilen. Dann siehst du, was er mit denen angestellt hat.“
Jack schloss sofort und erwartungsvoll die Augen, Sune tat dasselbe und ließ einen hellen Strom von Gedanken und Wahrnehmungen über Jack hereinbrechen. Es fühlte sich wunderbar an, obwohl die empfundene Besorgnis und Angst mit auf ihn übergingen. Er sah sich selbst am Rande der Klippe stehen, konnte den aus Feuer bestehenden Drachen sehen der sich auf die Wächter und die Diener stürzte, fühlte den urgewaltigen Sturm, der sich viele Meter vor ihm wie aus dem Nichts mit Eric zusammenschloss und die schwebenden Angreifer aus der Bahn warf. Er sah links und rechts von sich die Unmengen an flüchtenden Tieren, die sich in beide Richtungen über eine lange Strecke vom Rand der Steilwand in das flimmernde, blaue Band aus Licht stürzten. Es dauerte nur wenige Minuten, da hatte er beinahe eine halbe Stunde aus Sunes Leben nachempfunden und erlebt, hatte Eric gesehen wie er Remm zerfetzte und den Rest mithilfe der in Eiszapfen verwandelten Luftfeuchtigkeit erledigte. Als er die Augen öffnete sah er dass Sune ihn gespannt und schadenfroh taxierte. In seinen Gedanken spiegelten sich die Gewissheit über Erics Sieg und der Stolz über einen solchen Helfer. Und vor allem die Genugtuung darüber, dass er dem Herrscher einen gewaltigen Schaden zugefügt hatte.
„Er wird kommen, ganz sicher. Er wird fliegen und morgen vielleicht schon hier sein. Ich weiß es einfach.“
Sune sah Jack an, der nickte. Es schien ihm besser zu gehen.
„Danke, braves Hund. Sehr lieb von dich. Ich auch glauben, dass er kommen.“
Sie grinsten beide, dann machten sie sich auf den Weg zu Iman, Saja und Milian, die auf der Wiese neben dem Tempel umherliefen und die Ankommenden in Gruppen unterteilten. Schon bevor der runde, makellose Vollmond hinter den dichten, vom Mondlicht in ein dunkles Grauweiß getauchten Wolken hervor kam, waren alle Tiere über das gesamte Dorf, die Felder und die Wiese verteilt und schliefen, im Schutz des Tempels, dessen Geheimnis sie alle vor der endgültigen Vernichtung beschützte.
Kapitel 44
Seine Nase erfasste die Anwesenheit des heimischen Waldes zu erst. Der Sinneseindruck riss ihn aus dem Halbschlaf, in den er sich versetzt hatte um wenigstens etwas Ruhe zu bekommen. Er schätzte die Zeit. Kurz nach Mitternacht. Er fühlte unter sich noch immer nichts weiter als die Wolken, allerdings waren sie nicht mehr ganz so dicht. Er öffnete die Augen und sah sich um. Der Mond war nun hinter ihm, nicht mehr neben ihm. Eric erinnerte sich an den gesamten Flug, hatte nichts verpasst, war froh darüber einmal allein die Schönheit des Reiches über den Wolken erlebt zu haben. Als ihm die kalten Dämpfe der Wolken beim Sinkflug ins Gesicht wehten, fühlte er sich wie neu geboren. Erfrischt und munter. Doch es hielt nicht so lange wie er gehofft hatte. Ein Bild schlug wie eine Bombe in seinem Bewusstsein ein, flackerte kurz und war nach weniger als einer Sekunde wieder verschwunden. Er fasste es nicht, er glaubte nicht, was er da sah. Der Gedanke an das Reich über den Wolken war wohl ein Auslöser gewesen, der ihm ein mächtiges, in der Luft schwebendes Land gezeigt hatte. Eric dachte impulsartig an ein Bild aus einer Zeitung welches er mal gesehen hatte. Es zeigte die Erde aus einer Umlaufbahn, man sah die Wetterfronten und Wirbelstürme wie große, spiralförmige Scheiben, die sich kaum drehten. Er erkannte sie wieder, die großen, grauschwarzen Zyklone. Sie rotierten schnell, es sah nur so langsam aus wegen ihrer monströsen Ausmaße. Das Land schien auf einer Platte ähnlich die viele Kilometer dick war und von unten und an den Seiten wie schwarzer, zerbröckelter Fels aussah. Eric schwanden sämtliche Glücksgefühle als er den Kältestoß bemerkte der ihn in Gedanken überfiel. Schon wieder hatte er Kontakt mit den Gedanken eines Anderen, jemandem, der dem Herrscher nahe stehen musste. Der Adler schien Recht gehabt zu haben, das Land der sechs Großmeister und ihres Führers befand sich über einem der dunklen, rotierenden Wolkenmassive. Die wahre Grenze war nicht der Spiegel, es war einfach die Luft, die Höhe.
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