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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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im angrenzenden Pakistan und Iran ist unvorstellbar groß. Ich versichere Ihnen, Ihr Rollstuhl kommt jemandem zugute, der ihn wirklich braucht.«
    Er tätschelte den Kindern die Wangen und gab mir die Hand. »Toll, dass es wenigstens vereinzelt noch so engagierte Menschen wie Sie und Ihre Familie gibt!«
    »Ist doch Ehrensache«, murmelte ich beschämt.
    Khalid Wakili, der schon den röchelnden Motor angeworfen hatte, lehnte sich noch einmal aus dem Autofenster: »Sagen Sie, Frau Schnehage, wenn Sie noch mehr Rollstühle auftreiben könnten … Das wär echt super!« Er sah mich mit seinen großen dunklen Augen an.
    »Sie meinen, ich soll … Ich könnte …?«
    »Ja, das meine ich!« Khalid Wakili legte grüßend zwei Finger an die Stirn. »Ich muss weiter. Vielleicht höre ich von Ihnen! Tschüs, Kinder!«
    Mit knatterndem Auspuff tuckerte der Bus vom Hof.
    Ein paar Wochen später hielt ich ein Foto in den Händen und konnte kaum glauben, was ich da sah: Ein junger Mann ohne Beine saß in »unserem« Rollstuhl und winkte dankbar in die Kamera.

3
    »Hallo? Spreche ich mit der Lokalredaktion?«
    »Ja bitte? Was kann ich für Sie tun?«
    »Wir suchen Rollstühle für afghanische Flüchtlinge in Pakistan«, erklärte ich dem jungen Redakteur, während Simon auf das Klavier einhämmerte und Vanessa mit viel Spucke in ihre bunte Kinderblockflöte blies. »Kinder, seid doch mal leise! Können Sie nicht einen Spendenaufruf machen? Die Rollstühle kommen wirklich an! Dafür sorge ich persönlich!«
    Der nette Redakteur wollte gern ein Foto von meinem bastelnden Vater veröffentlichen – so nach dem Motto: »Wackerer Rentner wird nicht müde, für den guten Zweck zu arbeiten.«
    Na, daran sollte es bestimmt nicht scheitern. Ich schickte ein Foto von Vati im Drillich – und weil ich gerade so gut in Form war, gleich auch noch eines an ein Hausfrauenmagazin (auf das ich gerade Kartoffeln geschält hatte).
    So. Der Anfang war gemacht, ich hatte wirklich etwas getan. Beschwingt widmete ich mich wieder der Hausmusik meiner Kinder in Dresch-Moll und Blech-Dur.
    Der junge Lokalredakteur hielt Wort: Es erschien ein anrührender Artikel über den »unermüdlichen Rentner Arnold B., der eigenhändig auf dem Schrottplatz brauchbares Material für die Ärmsten der Armen zusammensucht. Natürlich erschien auch das Foto von dem armen Flüchtling im Rollstuhl. Es trieb einem die Tränen in die Augen. Wow!
    Vati war stinksauer, weil sich sein Kegelverein über ihn kaputtlachte und ihm der Männergesangsverein schon einen Heiligenschein an den Hut gesteckt hatte – aber damit konnte ich leben. Denn zu meinem grenzenlosen Erstaunen klingelte es von da an in regelmäßigen Abständen bei uns an der Haustür, und jede Menge ausrangierte Rollstühle wurden abgegeben. Schon bald türmten sich an die hundert Exemplare in unserer Garage! Mickis Familienkutsche musste draußen stehen.
    Leicht verärgert, aber auch voller Bewunderung nahm mein Mann mein neues Engagement zur Kenntnis.
    »Wenn du dir etwas in deinen hübschen blonden Kopf gesetzt hast, ziehst du das auch durch!«
    »Klar!« Ich strahlte meinen Micki an. »Dich habe ich mir schließlich auch in den Kopf gesetzt, Herr Doktor Physikus!«
    Während ich das Abendessen auf den Tisch stellte, erzählte ich Micki, dass sich heute Nachmittag bei mir eine junge Afghanin mit ihrem deutschen Ehemann eingefunden hatte, um weitere Hilfsgüter für Pakistan bei uns zwischenzulagern.
    »Die beiden sind durch den Zeitungsartikel auf uns aufmerksam geworden, wir wollen zusammenarbeiten!«
    »Aaah, meine Frau hat also Mitstreiter gefunden?!« Micki gab mir einen Kuss. »Solange das Essen nicht angebrannt ist, habe ich nichts dagegen einzuwenden«, sagte er augenzwinkernd.
    »Na, das wäre ja noch schöner! Ich bin so aufgeregt!«
    »Wieso? Bist du verliebt?«, zog mich mein Mann auf.
    »Ja, du Knallkopp – in DICH ! Aber das alles ist so neu für mich und voller Abenteuer.« Ich küsste Michael einen Klecks Tomatens0ße aus dem Mundwinkel.
    Die Kinder grinsten uns mit ihren verschmierten Mündern an.
    »Apropos voll – und wie kriegst du das ganze Zeug wieder aus der Garage, Frau Physika?«
    Micki nahm sich noch eine zweite Portion Spaghetti aus der Schüssel.
    »Du wirst es nicht glauben.« Ich verteilte Tomatensoße. »Deine Frau KANN schon telefonieren. Ich habe bei der Bundesbahn angerufen.«
    »Bei der Bundesbahn?« Micki hörte auf zu kauen.
    »Ja, was denkst denn du? Dass ich den ganzen Tag

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