Drachenklänge
Donkin, einen Neffen des Burgherrn von Ruatha, der zurzeit bei Lord Grogellan wohnte. Da er eine gute Tenorstimme hatte, sang er im Chor der Harfnerhalle mit. Er scharwenzelte nicht 90
mehr und nicht weniger um Halanna herum als die
anderen jungen Burschen, die zu den Sonnenwend—
feierlichkeiten angereist waren. Doch da er der Blutslinie von Ruatha entstammte, wäre er selbst dem
standesbewusstesten Vater ein höchst willkommener Schwiegersohn.
»Er gehört zum Geschlecht von Ruatha, sagen Sie?«
wiederholte Landon, dem Donkins Eignung als Freier sogleich aufgefallen war. »Ist er an Halanna interessiert?«
»Davon weiß ich nichts.«
»Halten Sie immer noch ein Auge auf meine Schwester?«
»Wir kümmern uns um jedes junge Mädchen, das in
unsere Obhut gegeben wird«, betonte Merelan spitz.
»Wie man sieht, haben Ihre Bemühungen gefruchtet.«
Merelan stieß sich ein wenig an Landons herablassender Art, doch er war selbst noch jung und hatte Halanna seit seiner Ankunft stets freundlich behandelt. »Sie hat eine Menge gelernt und die Ausbildung ihrer Stimme macht große Fortschritte. Halanna ist eine fleißige Schülerin.«
»Mein Vater sagt, sie darf noch länger in der Harfnerhalle bleiben, falls Sie keine Einwände haben.« In seiner Stimme schwang ein bittender Unterton mit.
»Sie hat gerade erst angefangen, ein Repertoire zu er-lernen, das ihrem Stimmumfang angemessen ist«, er-läuterte Merelan bereitwillig. »Und mittlerweile spielt sie Querflöte und Gitarre gut genug, um in einem kleinen Orchester mitzuwirken. Wir würden gern ihren Unterricht fortsetzen, wenn sie es möchte.«
»Ich glaube schon, dass es ihrem Wunsch entspricht«, entgegnete Landon, während er Halanna beobachtete, die zusammen mit Donkin die anmutigsten Tanzfigu-ren vollführte. Die beiden schienen sich köstlich zu amüsieren.
92
An diesem Abend wirkte Halanna zum ersten Mal
seit dem Besuch ihres Vaters heiter und gelöst. Merelan freute sich darüber. Sie fand, es sei an der Zeit, dass das Mädchen die leidige Geschichte vergaß.
»Kommen Sie mit, Landon, Sie können nicht nur am Rande herumstehen und zuschauen, wie die anderen tanzen. Ich stelle Sie ein paar wirklich netten jungen Mädchen vor.«
»Ich würde gern mit Ihnen tanzen, wenn es Ihnen
recht ist, Meistersängerin.« Er lächelte charmant und verbeugte sich vor Merelan.
Merelan blickte sich kurz nach Robie um, der am
Rande der Tanzfläche mit Kindern seiner Altersgruppe spielte und sah flüchtig zu Petiron hin. Doch der war vollauf damit beschäftigt, unter lebhaftem Ges-tikulieren einem anderen Harfner etwas zu erklären.
Sie vertraute darauf, dass er sich irgendwann besinnen würde, wie gern seine Frau tanzte, aber vorerst gab sie sich mit Landon als Tanzpartner zufrieden.
»Nichts wäre mir lieber, Burgherr Landon«, erwiderte sie und nahm seine dargebotene Hand.
*
Bei den Festivitäten zur Sonnenwende erhielt jeder die Gelegenheit zu singen oder zu musizieren, auch die Kleinsten wie Robinton und seine Klassenkameraden aus der Vorschule. Am zweiten Tag der Feiern trugen sie ein Lied vor, begleitet von den unterschiedlichs-ten Schlaginstrumenten wie Tamburine, Glockenspiele, Triangel, Tomtoms, Becken und Handglocken.
Robie schlug den Takt auf einer kleinen Trommel, und Merelan strahlte vor Stolz, als ihr Sohn selbst die kompliziertesten und flottesten Schlagfolgen mit Bravour meisterte.
Sie war enttäuscht, weil Petiron sich so intensiv mit 93
Bristol, dem Harfner aus Telgar, unterhielt, dass er Robintons Vorstellung gar nicht zur Kenntnis nahm. Bristol war gleichfalls ein Komponist, wie Petiron, doch er interessierte sich mehr für Balladen, die zur Gitarre gesungen wurden, als für Chor-und Orchestermusik.
Seine Melodien ließen sich leicht einprägen und konnten von jedermann gesungen werden. Merelan zog
eine Grimasse, als sie merkte, in welch unloyale Richtung ihre Gedanken gingen.
Zu ihrer nicht geringen Überraschung und großen
Freude bekam sie mit, wie Bristol sich später am Nachmittag Robie widmete. Robinton setzte eine ernsthafte Miene auf und schien dem Harfner etwas zu schildern.
Der hörte ihm aufmerksam zu. Merelan wünschte sich, Robies eigener Vater würde sich so freundlich um den Jungen kümmern …
Sie dachte daran, dass jetzt die Zeit der Sonnenwende war und der neue Planetenumlauf kurz bevorstand. Noch ein freier Tag, ehe die übliche Alltagsrou-tine von neuem begann. Eine Stunde lang trug sie die alten,
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