Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
sorgsam gehütetes Geheimnis mit einem Wort zur Alltäglichkeit stempelte und bewies, daß er darüber sogar weit mehr wußte als Skamander selbst. Er hätte ihn melden können, ja müssen – aber Goff lachte nur darüber und sagte, er habe sein Soll schon erfüllt. Als er dann von sich erzählte, war Skamander erst entsetzt, aber sie redeten nicht lange über Mungos und Möpse, denn Goff berichtete von einem Projekt, das Skamander ob seiner Größe mehr imponierte als wegen seiner Zielsetzung, die er eigentlich kaum richtig begriff. “Sie dürfen an Bord zurückkehren, Proximer Skamander!”
Was Flakke da soeben sagte, war nicht etwa eine Erlaubnis, sondern ein Befehl. Skamander schreckt auf. Sein Wantentrailer ist gestiegen und gestiegen, das Omegasegel unter ihm ist schon längst keine Kuppel mehr, sondern nur noch ein kleines Bläschen.
“Ich wollte mir nur mal kurz den Wolkenbruch ansehen, Kosmander, von hier draußen ist das doch ganz was anderes…” Skamander spürt, wie ihm bei der Ausrede der Hals trocken wird, aber Flakke bleibt friedlich.
“Kommen Sie runter, Skamander, wenn Sie Ausflüge unternehmen wollen, müssen Sie auf der Sol invictus anheuern und mit Kosmander Jokkmokk Touristen um die Sonne herumschippern.”
Das war fast schon Galgenhumor, denkt Skamander. Ob dem Alten auch bange geworden ist? Was will er denn – er bekommt irgendeine Stelle in der Verwaltung, wo er die paar Jahre bis zur Rente Sonnenflecke katalogisieren oder Proviantcontainer zählen darf, und dann hat er seine Ruhe, kann den ganzen Tag an Selbstspielen teilnehmen oder in irgendeine Ecke der Galaxis reisen, die er noch nicht kennt. Als Kadett soll er ja ganz schön herumgekommen sein… Aber was wird aus all den anderen, wenn auch der letzte Sonnensegler außer Dienst gestellt wird? Was wird aus mir selbst?
Darüber hat Skamander noch nicht ernsthaft nachgedacht, es ist ihm auch nicht so wichtig. Hauptsache, die Ikaros fliegt noch so lange, bis die Ursachen für die verheerenden Sonnenvibrationen gefunden sind, deren erneutes Auftreten für die nächsten Wochen erwartet wird. Alles Weitere wird sich finden.
Skamander drückt den Steuerbügel nach vorn und läßt den Wantentrailer in einem Bogen am Omegasegel vorbeisinken. Noch ist die Ikaros von dem gewaltigen Segel verdeckt, unter dem sie wie an einem überdimensionalen Fallschirm hängt und das man am ehesten mit dem Spinaker der Sportboote vergleichen kann. Aber schon erscheinen unter der Folienkante die Toppen der Backbordmasten und die Rahen der Skysegel. Ohne das Omegasegel und mit eingezogenen Zentralmasten gefällt der Drachenkreuzer Skamander am besten. Wenn er dann unter voller Backbord- und Steuerbordbesegelung dahinjagt, gleicht er einem bizarren Schmetterling mit weit abgespreizten Beinen, rechts und links je vier Teleskopmasten, vom Bugspriet zu den beiden Fockmasten die Klüver- und Stengestagsegel, am Heck die beiden Besansegel und dazwischen beiderseits eine Fülle von Foliebahnen, deren Bezeichnungen Skamander anfangs wie Begriffe aus einer außerirdischen Sprache erschienen.
Die Beine dieses skurrilen Schmetterlings bergen in ihren Verdickungen am Ende die beiden Kielkreisel und in den Kugeln der vier kürzeren die Drallräder zur Trimmung.
Das verwirrende Spinnennetz der Takelage erkennt man am besten bei gerefften Segeln, und wenn Flakke für komplizierte Manöver auch die Reihe der Zentralmasten auf dem Rücken der Ikaros ausfahren läßt, gleicht der Drachenkreuzer schon eher einem Seeigel als einem Falter mit schillernden Flügeln, und deshalb nennt so mancher Raumfahrer der Interstellaren Flotte die Segler wohl auch Stachelschweine.
Skamander taucht unter das Omegasegel und genießt für Sekunden den Blick auf diesen prächtigen Raumkreuzer. Flakke hat die Zentralmasten bereits einziehen lassen, damit sie nicht in den Brennpunkt der vom Segel reflektierten Strahlung geraten, denn diesen Temperaturen könnten sie nicht widerstehen. Wie kurze, dicke Hörner ragen sie aus dem plattgedrückten Schildkrötenrumpf der Ikaros.
Steuerbord vom Wantentrailer sticht ein blauer Laserstrahl aus dem Quarterdeck. Skamander schaltet die Automatik ein, und der Wantentrailer rutscht den Leitstrahl entlang auf den Schacht zu. Eigentlich braucht Skamander den Laser nicht, er weiß sehr gut, in welchem Bereich der Brennpunkt des leicht flatternden Segels wie ein Kugelblitz hin und her rollt. Das weiß jeder Sonnensegler, selbst ein mondsüchtiger Pilot
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