Drachenlanze - Der Bund der ...
zwei Fremde die Stufen zu Otiks Eingangstür hinaufsteigen.
Das war an sich nicht bemerkenswert, doch diese beiden
Fremden waren ein so ungleiches Paar, wie Kit es noch nie
gesehen hatte. Sie kehrte an ihren Platz zurück und erwartete
ihr Eintreten.
Wenige Augenblicke später standen sie in der Tür und sahen
sich im Raum um. Einer von ihnen war ein wahrer Riese. Seine
Haare hatte er zu einem Dutzend Zöpfe geflochten, die ihm bis
auf die Schultern hingen; sein Kopf war gewaltig, doch die
winzigen Äuglein lagen tief in fleischigen Augenhöhlen.
Sechseinhalb Fuß groß und dreihundert Pfund schwer, schätzte
Kitiara. Er trug ein zeltartiges, buntes Gewand, doch ihr Blick
ging sofort zu seinen Waffen – ein Krummsäbel, ein Messer
und eine kurze, stachelbesetzte Keule
–, die alle deutlich
sichtbar an dem Gürtel um seinen beträchtlichen Wanst hingen.
Auf dem Rücken schleppte er eine große Holzkiste, die er jetzt
schwungvoll auf dem Boden absetzte und zur Seite stieß. Er
sagte nichts, doch sein Blick wanderte rasch durch den Raum,
wobei seine Augen bei Kit kurz, aber ohne Interesse
aufleuchteten.
Begleitet wurde er von einem Mann, der noch auffälliger
war, denn Kit hätte ihn auf den ersten Blick fast für eine Frau
gehalten. Er war groß – allerdings nicht so groß wie der Riese
– und schlank, hatte eine Haut wie Alabaster, tiefschwarze
Haare und himmelblaue Augen. Er trug eine meerblaue Tunika
mit einem schön verzierten Gürtel, der seine schmale Taille
umschloß, in dem aber keine Waffen steckten. Das Lederpaket,
das er schleppte, warf er müde auf die Kiste. Der ist nicht viel
älter als ich, dachte Kitiara, vielleicht zwanzig. Als er zur
Theke ging, fiel ihr auf, daß er einen ungewöhnlichen
Anhänger mit einem blitzend grünen Stein am Hals hängen
hatte. Gleichzeitig mit diesem ungewöhnlichen Schmuckstück
fiel Kit zu ihrem Erstaunen ein Duft auf. Er benutzte
anscheinend Parfüm oder Öle.
Der Mann hatte eine ausgesprochen würdevolle Haltung, und
ihr wurde klar, daß er aus einer hochgestellten Familie
stammen mußte. Darüber hinaus strahlte er so viel
Vornehmheit und Bildung aus, daß er sich völlig von all den
rauhen Kerlen und gewöhnlichen Leuten abhob, die sie
gewohnt war. So einen Mann hatte Kit noch nie gesehen. Vor
ihrem Gesicht verschwand jedes Restchen schlechter Laune.
Ihre Augen waren hellwach und ihr Ausdruck wie gebannt.
»Gibt es noch etwas zu essen?« fragte der Mann, als Otik
geschäftig aus der Küche eilte, um sie zu begrüßen.
»Ein spätes Mittag- oder ein frühes Abendessen«, strahlte
Otik. »Mir ist es gleich. Setzt Euch, ich werde Euch gern
bewirten.«
Da er weit herumgekommen war, war der Wirt vom Äußeren
seiner neuen Gäste nicht so überwältigt wie Kitiara. Er schätzte
den jungen Mann sehr zutreffend als Edelmann aus Nordergod
ein, der von seinem Sklaven begleitet wurde.
»Ich bin Patrick von Gwynned, und das ist mein Diener
Stratke«, stellte der Mann sich vor. »Mir wurde überall geraten,
ich sollte auf jeden Fall Eure Würzkartoffeln probieren.« Seine
Stimme klang bestimmt, als wäre er es gewohnt, daß man ihm
gehorchte. Kit wurde noch neugieriger.
Patricks Bemerkung über seine gewürzten Bratkartoffeln
zauberte ein Lächeln auf Otiks Gesicht. »Und Bier dazu?«
fragte Otik. »Bier paßt gut – «
»Klares Wasser, bitte«, schnitt Patrick ihm das Wort ab.
»Danach vielleicht ein Glas Wein. Ihr habt doch Wein, oder?«
Patrick sagte diesen letzten Satz, derweil er sich in der
Gaststube umsah und das Schild über der Theke las, auf dem
geschrieben stand: »Gesunde und herzhafte Kost für Freunde
und Fremde.«
Otiks Gesicht verfinsterte sich, als der Fremde andeutete,
sein Wirtshaus wäre womöglich nicht erste Klasse. »Natürlich
haben wir Wein«, sagte er mit einem etwas pikierten Unterton.
»Und was hätten die Herren gern zu den Würzkartoffeln?«
»Erst mal nur Kartoffeln«, sagte Patrick freundlich. Er hatte
offensichtlich beschlossen, Otiks Kochkünste zunächst zu
prüfen, bevor er etwas anderes bestellte.
Etwas beleidigt, aber ohne eine weitere Bemerkung lief Otik
nach hinten, um die Bestellung weiterzugeben. Während er das
tat, sahen sich die beiden Männer um und wählten einen
großen Tisch neben Kitiara.
Sie hatte die beiden gespannt beobachtet, doch jetzt wandte
sie die Augen zum Fenster und heuchelte Desinteresse, als sie
in ihre Richtung kamen. Dennoch spürte sie, daß der junge
Mann ihre Anwesenheit sehr bewußt
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