Drachenlanze - Finstere Pläne
keine einzige Tür entdeckt.«
»Wir sind drinnen, oder?« gab Tolpan zurück. »Außerdem
habe ich nichts davon gesehen – «
Tanis hielt sich die spitzen Ohren zu. »Das reicht!« fauchte
er, als er herumfuhr. Selana wich ihm eilig aus. »Euer
Geplapper könnte einem Halbelfen den Kopf platzen lassen,
ganz zu schweigen davon, daß man es auf hundert Schritt
hören kann.«
Zwerg und Kender fielen in betretenes Schweigen.
»Ist das da vorne links eine Tür?« fragte Selana, die über die
Schulter des Halbelfen nach vorne zeigte.
Tanis blinzelte und sah etwa zwanzig Fuß weiter den Gang
hinunter einen unscharfen Umriß. Nach ein paar schnellen
Schritten streckte er die Hand aus, um die hölzerne Oberfläche
zu berühren. Er tastete an der linken Seite nach einer Klinke.
»Warte!« flüsterte Tolpan, der Selana mit dem Ellenbogen
beiseite stieß, um sich neben Tanis zu stellen. »Man geht doch
nicht einfach hin und rüttelt an einer fremden Tür, schon gar
nicht an einem Ort wie diesem. Es könnte eine Falle dran sein,
oder du löst einen Alarm aus oder sonstwas.« Der Kender
tastete in einem Beutel herum, wo er schnell fand, was er
brauchte, um sich dann an die gefährliche Aufgabe zu machen,
nach Schnappern, Drähten, Riegeln, kleinen Nadeln und einem
Dutzend anderer Gefahren zu suchen, die seine Gefährten
kaum erahnen konnten.
Tanis war dankbar für die Dunkelheit, denn er wurde rot vor
Scham. Er war einfach nur darauf aus gewesen, irgendwohin
zu gelangen, und dabei hatte er jegliche Vorsicht außer acht
gelassen. Nur ein blutiger Anfänger rannte unter so widrigen
Umständen einfach durch eine Tür.
»Ich glaube, sie ist sicher«, erklärte Tolpan schließlich,
»aber sie war abgeschlossen. Man kann einfach nicht
vorsichtig genug sein. Der älteste Sohn vom ältesten Bruder
meiner Mutter nämlich, der alte Onkel Schloßknacker
–
eigentlich wäre er dann doch mein Cousin, oder? Wieso sagen
wir denn dann Onkel zu ihm? Jedenfalls, der alte Onkel
Schloßknacker – nicht Onkel Fallenspringer, der war viel zu
schlau für so was –, Onkel Schloßknacker war eines Tages
beim Türaufmachen zu unvorsichtig. Das war’s! So was
braucht einem natürlich nur einmal zu passieren.«
»Mach die Tür auf, Tolpan«, wies Tanis ihn ausdruckslos an.
»Aber klar doch.« Tolpan stieß sie auf und trat ein. »Bis er
starb, war der alte Onkel Schloßknacker groß im Ratschläge
verteilen. >Schlag deine Mutter nie mit einer Schaufel<, hat er
immer zu mir gesagt. >Das hinterläßt bei ihr einen tiefen
Eindrucke« Von der Erinnerung bewegt, schüttelte Tolpan
seinen Pferdeschwanz. »Der arme Onkel Schloßknacker.
Verrückt wie ein Grottenschrat, wißt ihr.«
Hinter der Tür war ein kleiner Raum, höchstens zehn mal
fünfzehn Fuß groß, bei dessen niedriger Decke sogar der
Zwerg überlegte, ob er nicht besser den Kopf einziehen sollte.
An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine weitere,
kleinere Tür. Der Raum war fast völlig leer bis auf ein paar
große Urnen und einen Rest Feuerholz, das in einer Ecke
sorgfältig aufgeschichtet war. Außerdem stand da noch eine
roh gezimmerte, verschlossene Kiste von der Größe eines sehr
dicken Baumstamms in der Ecke bei der anderen Tür.
Selana verzog die Nase vor Abscheu. »Das stinkt, als wenn
hier drin etwas verendet ist.«
»Ratten wahrscheinlich«, sagte Tanis, dessen Atem in
feuchten, weißen Schwaden vor ihm stand.
Selana rückte unwillkürlich etwas näher an den Halbelfen
heran. »Bes schedal«, flüsterte sie, woraufhin sofort ein
schwacher Schein praktisch aus dem Nichts erschien und den
Raum mit gelblich trübem Licht erhellte. Die Meerelfin
erschauerte unter ihrem dünnen Umhang, während sie den
Boden nach Bewegungen absuchte. »Wir müssen ziemlich weit
unter der Erde sein.«
Flint erschauerte ebenfalls, wenn auch nicht wegen der Kälte
oder dem Gedanken an Nagetiere. »Hier bekomme ich
Gänsehaut«, bekannte er. »Das Armband ist ganz sicher nicht
hier unten, also sollten wir – «
»Großer Reorx!«
Bei Tolpans Fluch zuckten Tanis, Flint und Selana
zusammen. Als sie herumfuhren, sahen sie ihn an der
Holzkiste. Seine Hand lag an dem jetzt halb geöffneten Deckel.
»Da kommt der gräßliche Gestank her.« Während er mit der
Schulter weiterschob, mühte sich der Kender ab, den Deckel
ganz hochzudrücken.
»Warte, Tolp-«, setzte Tanis an, doch die Warnung kam zu
spät.
Mit angestrengtem Grunzen warf Tolpan den Holzdeckel
zurück und blickte in die Kiste.
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