Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
langen Lebens von hinten an ihn herangeschlichen war, einen so reizenden Anblick geboten hätte. »Guten Tag, Lady Sherrine. Verzeiht, ich habe Euch nicht bemerkt.«
Sie zog die Stirn in Falten, doch dahinter lag ein Lächeln wie Sonnenschein hinter einer Wolke. Sie fragte: »Darf ich mich Euch anschließen, Drachenlord, oder reitet Ihr lieber allein?« Ihre Augen schienen zu sagen: »Ich hoffe nicht.«
Ihr Blick brachte sein Blut in Wallung. Ganz klar, das Mädchen war auf ein Abenteuer aus. Ihm gefiel ihre Unbekümmertheit – und ihre Schönheit. Es war eine Ewigkeit her, daß er mit einer Frau zusammengewesen war. Vielleicht würde sein Aufenthalt in Cassori interessanter werden, als er gedacht hatte.
»Ich wäre hocherfreut«, sagte er.
Sie ritt zu ihm heran. Ihr Duft war betörend. Hochinteressant, in der Tat.
»Gefällt Euch Euer Aufenthalt in Casna, Drachenlord?« fragte sie und ritt ein Stück voraus. »Abgesehen von den Ratssitzungen natürlich.« Sie sah über die Schulter zu ihm zurück, im Blick eine Mischung aus Belustigung und Anteilnahme.
Linden ließ den Wallach zu ihr aufschließen. »Mein Aufenthalt würde mir besser gefallen, wenn es mehr Augenblicke wie diesen gäbe und dafür weniger Sitzungen«, sagte er.
Sie lachte. »Mutter sagt, die Sitzungen seien furchtbar langweilig. Besonders wenn der alte Lord Corvy losposaune.«
Linden schnitt eine Grimasse. Mit seinem großen borstigen Schnauzbart sah Corvy aus wie ein mißlauniges Walroß – und klang auch wie eines. »Stimmt. Obwohl, als Baron Chardel drohte, Corvy die Zunge abzuschneiden, wenn er nicht endlich zur Sache käme, wurde es fast interessant. Aber nur fast.«
Sherrine lachte. »Seid dankbar, daß Ihr nicht dabei wart, als Corvy und Chardel um die Sümpfe stritten, die zwischen ihren Ländereien liegen. Chardel wollte sie trockenlegen, um mehr Weideland zu gewinnen. Corvy war dagegen.«
»Wieso? Klingt doch vernünftig.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Weil es die Frösche vertrieben hätte.«
Linden war nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. »Frösche?«
Sherrine nickte. »Corvy liebt Froschschenkel, und der Gedanke, auf seine Lieblingsspeise verzichten zu müssen, machte ihn fast wahnsinnig. Sie haben sich monatelang angegiftet. Ich dachte, Mutter würde ihren Sitz im Rat zurückgeben. Sie läßt zu Hause noch immer keine Froschschenkel servieren.«
Im Geiste sah er die beiden starrsinnigen alten Männer miteinander streiten. Lachend sagte er: »Danke für die Information. Bei der nächsten Sitzung werde ich versucht sein, ›Quak, Quak‹ zu flüstern, wenn Corvy das Wort ergreift.«
Sherrine lachte und erzählte ihm mehr über die Adligen am cassorischen Hof: über Lord und Lady Trewin, die beide eine Leidenschaft für assantikkanische Keramiken hegten; über die RennpferdRivalität zwischen Lord Duriac und Lord Sevrynel, dem Grafen von Rockfall, der auch für seine spontanen Festbankette bekannt war, die er aus den nichtigsten Anlässen gab. »Und aus irgendeinem Grund hat niemand etwas dagegen. Die meisten Leute finden es amüsant und gehen eigentlich nur hin, um zu sehen, was er dieses Mal feiert.« Über Lord Altian, der »flinke Finger hat und den man ständig beobachten muß, wenn er einen zu Hause besucht«; und über seine arme Schwester, Lady Dovria, die die meiste Zeit damit zubrachte, all die Dinge zurückzubringen, die ihr Bruder »versehentlich aus verschiedenen Häusern mitgenommen hat«; über die Bemühungen der Herzogin von Blaken, ihre sechs Töchter unter die Haube zu bringen, sowie über zahllose andere Marotten und Eigenheiten der cassorischen Adelsgesellschaft.
Linden lauschte amüsiert. Sherrines Erzählungen waren bildhaft und lustig und zeigten ihm die menschlichen Seiten der Leute, mit denen er Tag für Tag zu tun hatte. Er nahm sich vor, Kief und Tarina vor Lord Altian zu warnen.
Das Pferd nutzte seine Unaufmerksamkeit dazu, sich wieder an einen Busch heranzumachen. Seufzend zog Linden den Kopf des Tiers hoch. »Dummer Gaul«, sagte er. »Ich wünschte, Shan wäre hier.«
»Shan?« fragte Sherrine.
»Mein Llysanyanischer Hengst. Ich konnte ihn nicht mitnehmen.«
Sherrine nagte an ihrer Unterlippe. Dann, als hätte sie sich zu etwas durchgerungen, sagte sie: »Drachenlord, die Geschichten über Eure Rasse … äh, klingen so, als wären Eure Pferde, äh, mehr als bloß Pferde.«
Linden hatte das eigenartige Gefühl, daß sie ursprünglich etwas anderes hatte sagen wollen. Er
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