Drachenmagier
leben lohnt. Ich nicht.« Seine Stimme war ein rauhes
Krächzen, und er verzog
beim Sprechen schmerzvoll das Gesicht.
»Ach ja? Was, glaubst
du wohl, wird deinen Eltern noch bleiben, ›wofür
sich zu leben lohnt‹, nachdem
sie deinen Leichnam von einem Ast geschnitten haben? Kannst du dir
ausmalen,
wie sie dich in Erinnerung behalten werden? Mit aufgedunsenem
Gesicht, blauschwarz
verfärbter Haut, vorquellenden Augen und aus dem Mund
hängender Zunge?«
Devon wurde noch eine
Schattierung blasser, warf Haplo einen haßerfüllten
Blick zu und drehte wieder
den Kopf zur Seite. »Geh weg. Laß mich in
Ruhe«, sagte er rauh.
»Oh, aber es kommt
noch besser«, fuhr Haplo fort, als hätte er nichts
gehört, »wenn man dich nicht
gleich findet, haben die Aasvögel Zeit, sich mit dir zu
beschäftigen. Die
größte Delikatesse sind für sie die Augen.
Deine Eltern werden ihren Sohn
vielleicht nicht einmal mehr erkennen können – oder
was von ihm übrig ist, wenn
die Vögel sich an ihm gütlich getan haben, ganz zu
schweigen von den Ameisen
und Schmeißfliegen…«
»Aufhören!« Devon
versuchte zu schreien, aber es wurde nur ein ersticktes
Flüstern.
»Dann sind da noch
Alake und Grundel. Sie haben eine Freundin verloren, nun
verlieren sie noch
einen Freund. An sie hast du auch keinen Gedanken
verschwendet, nehme ich an?
Nein, du warst ausschließlich mit dir selbst
beschäftigt. ›Der Schmerz, ich
kann den Schmerz nicht ertragen!‹«, äffte
Haplo die helle, flötende Stimme der
Elfen nach.
»Was weißt du denn
schon!« begehrte Devon auf.
»Was weiß ich denn
schon – von Schmerz«, wiederholte Haplo
leise. »Laß mich dir eine Geschichte
erzählen, dann kannst du dich meinetwegen umbringen,
wenn du unbedingt willst.
Ich kannte einen Mann,
damals, im Laby – an einem Ort, von dem du nichts
weißt. Er mußte um sein Leben
kämpfen. An jenem Ort kämpft man, um weiterzuleben,
nicht um zu sterben. Dieser
Mann trug schwere Wunden davon, die Schmerzen, die er litt,
waren unvorstellbar,
unerträglich.
Er hatte seine Feinde
besiegt. Die Chaodyn waren tot. Doch er konnte wegen der Schmerzen
nicht
weiter. Er hätte versuchen können, sich mittels
seiner Magie zu heilen, aber es
schien ihm der Mühe nicht wert zu sein. Der Mann lag auf der
Erde und ließ das
Leben aus sich herausströmen. Dann geschah etwas, das seine
Meinung änderte.
Ein Hund tauchte auf… Der Hund.« Haplo verstummte,
ein Gefühl unsäglicher
Schwermut und Verlassenheit raubte ihm die Sprache. Die ganze Zeit
– wie hatte
er den Hund vergessen können?
»Was ist passiert?«
flüsterte Devon. Seine Augen forschten in Haplos Gesicht.
»Was passierte mit
dem Hund?«
Haplo runzelte die
Stirn und rieb sich das Kinn, einerseits verstimmt, weil er
darauf zu sprechen
gekommen war, andererseits froh, sich zu erinnern.
»Der Hund. Auch er
hatte mit den Chaodyn gekämpft und war ebenfalls verletzt,
tödlich verletzt.
Doch als er das Leiden dieses Mannes sah, versuchte er, ihm zu helfen.
Der Hund
gab nicht auf. Er fing an zu kriechen, auf dem Bauch, um von
irgendwoher Hilfe
zu holen. Dieser Mut beschämte den Mann. Ein
unvernünftiges Tier, ohne
Hoffnungen oder Träume oder hehre Ziele, doch es
kämpfte darum weiterzuleben.
Ich hingegen hatte alles: ich war jung, stark, hatte einen
großen Sieg errungen.
Und ich wollte all das aufgeben – wegen der
Schmerzen.«
»Ist der Hund
gestorben?« fragte Devon mühsam. Schwach wie ein
krankes Kind begehrte er, den
Schluß der Geschichte zu hören.
Der Patryn befreite
sich mit Gewalt aus dem Bann seiner Erinnerungen.
»Nein, der Mann heilte
den Hund, heilte sich selbst.« Ihm war nicht aufgefallen,
daß er und ›der Mann‹
die Plätze getauscht hatten. »Er erreichte eine hohe
Stellung in seinem Volk.
Er nahm Einfluß auf das ganze Leben
anderer…«
»Rettete Leute vor Drachenschlangen?
Oder auch vor sich selbst?« fragte Devon mit einem schiefen
Lächeln.
Haplo starrte ihn an,
dann stieß er ein Brummen aus. »Ja, mag sein. Nun,
wie geht’s weiter? Soll ich
dich allein lassen, damit du noch mal dein Glück versuchen
kannst?«
Devon hob den Blick zu
der durchtrennten Liane, die über seinem Kopf baumelte.
»Nein, ich komme mit
dir.« Er wollte aufstehen, aber die Kräfte
verließen ihn, und er sank
ohnmächtig zurück.
Haplo fühlte seinen
Puls. Er war kräftiger und
regelmäßiger. Gedankenverloren
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