Drachenmagier
kauerte
in dem
schlingernden Schiff, allein bis auf den Hund, der als treuer
Wächter dicht
neben seinem Herrn lag. Das Gefühl des Verlassenseins
wurde übermächtig, und
Alfred schob sich in seiner Angst näher an Haplo heran, um
wenigstens eine Art
von Gesellschaft zu haben, auch wenn von dem schlummernden
Reisegefährten weder
Trost noch Unterhaltung zu erwarten waren.
Er saß neben Haplo und
beschäftigte sich damit, die strengen Züge des
Patryns zu studieren. Ihm fiel
auf, daß sie sich auch im Schlaf nicht entspannten, sondern
das Gesicht den
grimmigen, abweisenden Ausdruck bewahrte, als könne nichts,
vielleicht nicht
einmal der Tod, diesem Mann wirklichen Frieden bringen.
Mitleid veranlaßte
Alfred, die Hand auszustrecken, um eine Haarsträhne aus dem
verschlossenen
Gesicht zu streichen.
Der Hund hob den Kopf
und knurrte warnend.
Alfred riß die Hand
zurück. »Es tut mir leid. Ich habe nicht
überlegt.«
Der Hund, der Alfred
kannte, schien das als ausreichende Entschuldigung zu
akzeptieren. Er legte
sich wieder hin.
Alfred stieß einen
abgrundtiefen Seufzer aus und ließ den Blick durch den kahlen
Raum wandern, in
dem er sich befand, die Brücke des Schiffs. Durch das
Bugfenster sah er die
feurige Welt Abarrach zu einem verschwommenen Wirbel aus
Flammen und Rauch zusammenschrumpfen,
während voraus der schwarze Schlund des Todestores immer
größer wurde.
»Liebe Güte«,
flüsterte Alfred und zog den Kopf zwischen die
Schultern. Wenn er die Chance
zur Flucht nutzen wollte, wurde es Zeit.
Der Hund war derselben
Ansicht. Er sprang auf und bellte drängend.
»Ich weiß. Es ist
soweit«, sagte Alfred. »Du hast mir das Leben
geschenkt, Haplo. Nicht, daß ich
undankbar wäre, nur, mir fehlt der Mut.«
Und
hast du den Mut zu bleiben? schien der Hund aufgebracht zu
fragen. Hast du den Mut, dem Fürsten
des Nexus gegenüberzutreten!
Haplos Gebieter – ein Patrynmagier mit
großer Macht. Wenn
er ihm in die Hände fiel, halfen ihm auch die Ohnmachten
nichts, zu denen er in
unangenehmen Situationen Zuflucht zu nehmen pflegte. Der
Fürst würde jeden
seiner Gedanken, sein innerstes Wesen sondieren, sezieren, ihm
jedes Geheimnis
entlocken, entreißen – und sei es noch so
unbedeutend. Folter, endlose Qual
erwarteten ihn, bis zur Erlösung durch den Tod, aber niemand
brauchte Alfred zu
sagen, daß der Herrscher des Nexus sich darauf
verstand, diesen Augenblick
lange, lange hinauszuzögern.
Die furchtbare Vision
mußte genügt haben, Alfred zum Handeln zu bewegen.
Wenigstens nahm er das an.
Wie er sich erinnerte, hatte er an Deck gestanden, ohne die geringste
Ahnung,
wie er dahin gekommen war.
Die Stürme der Magie
und der Zeit umtosten ihn, zausten respektlos die schütteren
Haarsträhnen auf
seinem fast kahlen Schädel und ließen seine
Rockschöße flattern. Alfred
umklammerte die Reling und starrte mit entsetzter Faszination in die
Schwärze
des Todestores.
Ihm wurde bewußt, daß
er ebensowenig fähig war, in diesen Abgrund hinabzuspringen,
wie er es über
sich gebracht hätte, seinem elenden, einsamen Leben mit
eigener Hand ein Ende
zu setzen.
»Ich bin ein
Feigling«, sagte er zu dem Hund, der ihm aus Langeweile nach
oben gefolgt war.
Mit einem gequälten Lächeln senkte der
Sartan den Blick auf seine Hände, deren
Knöchel weiß hervortraten, so krampfhaft hielten sie
die Reling umfaßt. »Ich
glaube, ich könnte nicht einmal loslassen.
Ich…«
Der Hund wurde von
einem Augenblick auf den anderen tollwütig, oder
wenigstens sah es so aus.
Knurrend, mit gefletschten Zähnen stürzte er sich auf
ihn. Alfred riß die Hände
vors Gesicht. Der Leib des Hundes prallte ihm gegen die Brust,
stieß ihn über
die Reling…
Was war danach
geschehen? Alfred konnte sich nur vage an das alptraumhafte
Gefühl zu fallen
erinnern – in ein Loch zu fallen, das zu klein für
eine Mücke und doch groß
genug war, um das geflügelte Drachenschiff zu verschlingen. Er
entsann sich an
gleißende Dunkelheit, ohrenbetäubende
Stille, an endloses Stürzen, Hals über
Kopf, im Zustand vollkommener Bewegungslosigkeit. Und dann
schlug er unten
auf. Oder oben?
Wie auch immer – er
war schließlich gelandet. Er dachte daran, die Augen zu
öffnen, und entschied
sich dagegen. Alles in ihm sträubte sich dagegen, seine
Umgebung zu betrachten.
Wo immer er sich befand, es war garantiert scheußlich. Am
liebsten wäre er
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