Drachenmagier
Fürst des Nexus
legte Haplo die Hand auf die Brust, über dem Herzen. Mit der
Spitze des
Zeigefingers zeichnete er eine Rune auf die Haut, der Nagel
war lang und
scharf und hinterließ eine blutige Spur. Die Auswirkung auf
Haplos Magie war
erheblich schlimmer. Die Runen bildeten die ersten Glieder in dem Kreis
seiner
Existenz. Bei der Berührung des Fürsten wurden sie
getrennt, die Kette begann
zu zerbrechen.
Der Fürst trieb den
Keil seiner Magie zwischen die Sigel und sprengte sie
auseinander. Ein zweites
Glied löste sich von dem ersten, das dritte vom zweiten, dann
das vierte und
fünfte. Schneller und schneller zerfiel, zerbrach,
zersplitterte das Gefüge
der Runen, die Quelle von Haplos Kraft, sein Schutz gegen den
Einfluß anderer
Mächte.
Der Schmerz war
unbeschreiblich. Stahlsplitter bohrten sich in sein Fleisch,
Ströme aus Feuer
kreisten durch seine Adern. Haplo kämpfte solange wie
möglich dagegen an. Als
seine Beherrschung zerbrach, wußte er nicht, daß es
seine Schreie waren, die er
hörte.
Der Fürst des Nexus
verstand sein Handwerk. Wenn es schien, daß Haplo gleich das
Bewußtsein
verlieren würde, unterbrach Xar die Folter und sprach mit
sanfter Stimme von
ihren bisherigen Plänen und Unternehmungen, bis Haplo
sich erholt hatte. Dann
begann der Fürst von neuem.
Die Nacht – oder was
im Nexus als Nacht gilt – breitete ihr Tuch aus
weichem Mondlicht über das
Schiff. Der Fürst zeichnete eine Rune in die Luft, die Qual
endete.
Haplo sank zur Seite
und blieb wie tot liegen. Sein nackter Oberkörper war
schweißüberströmt, er
zitterte, seine Zähne schlugen aufeinander wie im
Schüttelfrost.
Ein Nachhall der
furchtbaren Schmerzen, lodernde Flammen, der Stich einer
glühenden Klinge
durchzuckte ihn und rang ihm einen weiteren Schrei ab. Sein
Körper bäumte sich
auf und fiel kraftlos wieder zurück.
Der Herrscher des
Nexus beugte sich und legte die flache Hand auf Haplos Brust. In diesem
Moment
hätte er ihn töten können. Er hätte
das Sigel endgültig zerbrechen können,
unwiderruflich. Haplo spürte die Berührung
seines Gebieters kalt auf der
brennenden Haut. Ein Schauer überlief ihn, er
unterdrückte ein Stöhnen und
hielt vollkommen still.
»Tötet mich! Ich habe
Euch betrogen! Ich verdiene es nicht zu leben!«
»Mein Sohn«, flüsterte
der Fürst mitleidsvoll. Eine Träne fiel auf Haplos
Brust. »Mein armer Sohn.«
Die Träne schloß und
versiegelte die Rune.
Aufstöhnend warf Haplo
sich herum und begann zu weinen. Xar zog den jungen Mann an sich,
wiegte ihn
tröstend hin und her und ließ seine Magie wirken,
bis Haplos Runen wieder
zusammengefügt waren, der Kreis seiner Existenz geschlossen.
Haplo schlief einen
heilenden Schlaf.
Der Fürst nahm seinen
eigenen Umhang, einen Mantel aus feinem weißen Leinen, und
deckte Haplo damit
zu. Dann musterte er den Schlummernden einen langen Augenblick. Die
Spuren der
ausgestandenen Qualen verblaßten, Haplos Gesicht war ernst
und grimmig, ruhig
und entschlossen – ein Schwert, im Feuer neu
gehärtet; eine Mauer aus Granit,
deren Risse mit flüssigem Stahl ausgegossen worden
waren.
Xar legte die Hände
auf den Kompaßstein, sprach die Runen und gab so den Befehl
für die Reise des
Schiffes durch das Todestor. Plötzlich schien ihm ein Gedanke
zu kommen. Er
unternahm einen schnellen Rundgang durch die Räume unter Deck
und spähte
aufmerksam in jeden Winkel.
Der Hund war
verschwunden.
»Ausgezeichnet.«
Der Fürst
des Nexus verließ die Himmelsstürmer, äußerst
zufrieden mit dem Gang der Ereignisse.
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Kapitel 2
Irgendwo jenseits des Todestores
Alfred erwachte von
einem furchtbaren Schrei, der ihm in den Ohren gellte. Er lag
stockstill, vor
Angst gelähmt, und lauschte mit angehaltenem Atem,
zusammengekniffenen Augen
und schweißfeuchten Händen, ob der Schrei sich
wiederholte. Nach langen Minuten
tiefer Stille kam Alfred zu dem Schluß, daß er
selbst der Urheber des
schaurigen Lautes gewesen sein mußte.
»Das Todestor. Ich bin
durchs Todestor gefallen! Oder vielmehr«, berichtigte er sich
und schauderte
bei dem Gedanken, »ich wurde
hindurchgestoßen.«
An
deiner Stelle würde ich zusehen, daß ich nicht mehr
an Bord bin, wenn ich
aufwache, hatte
Haplo ihn gewarnt…
Haplo war
eingeschlafen, hinübergeglitten in eine der
Regenerationsphasen, die für die
Angehörigen seiner Rasse lebensnotwendig waren. Alfred
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