Drachenritter 02 - Der Drachenritter
die Ihr angerichtet habt, und alle Unbill, welche ihre Bewohner durch Euch zu erleiden hatten, zur Rechenschaft ziehen!«
»Ihr denkt wohl an unsere von der Revisionsabteilung für die nächste Zukunft anberaumte Begegnung?« sagte Malvinne. »Dann solltet Ihr bedenken, daß die Anschuldigungen, die Ihr gegen mich vorbringt, ein wenig fadenscheinig wirken könnten, wenn bekannt wird, daß Ihr mein Gefangener seid.«
»Ich bin nicht Euer Gefangener«, sagte Jim.
»Aber das wird nicht mehr lange dauern«, erwiderte Malvinne. »Wie ich gerade sagte – Eure Anklage könnte als der Versuch eines sehr schwachen, jungen Magiers erscheinen, von der prekären Lage, in der er sich befindet, dadurch abzulenken, daß er Vorwürfe gegen einen Meister der magischen Kunst erhebt.«
»Ich glaube nicht, daß dies der Vorgehensweise der Revisionsabteilung entspricht«, sagte Jim, der des Wortgeplänkels allmählich überdrüssig wurde. »Jedenfalls bin ich nicht Euer Gefangener, das sagte ich bereits.«
»Wie ich sagte, werdet Ihr es aber in Kürze sein«, entgegnete Malvinne. Er schlug einen förmlichen Ton an. »Hier und jetzt beschuldige ich Euch vor allen Anwesenden, Lügen über mich verbreitet zu haben, sowohl hinsichtlich der vorgebrachten Anklage wie auch bei anderen Gelegenheiten.«
Auf einmal trat bei Jim das Gefühl, daß irgend etwas nicht stimme, an die Stelle der kalten Wut. In den Begriffen dieser Welt ausgedrückt, hatte Malvinne ihn soeben zum Zweikampf Ritter gegen Ritter herausgefordert. Jim selbst war natürlich ein Ritter, und auch Malvinne war zweifellos irgendwann zum Ritter geschlagen oder zumindest in den Adelsstand erhoben worden, so daß er in weltlicher Hinsicht als Edelmann zu gelten hatte.
»Ihr fordert mich heraus?« fragte er in der Absicht, seinem Gegenüber weitere Informationen entlocken zu können.
»Ja, das tue ich«, antwortete Malvinne. »Das heißt, nicht unmittelbar, denn schließlich bin ich der Ältere. Deshalb werde ich mir die Tatsache zunutze machen, daß ich ein Magier und daher berechtigt bin, einen Stellvertreter zu benennen. Dies habe ich bereits getan. Mein Stellvertreter steht neben mir.«
Er wandte sich an die schweigsame Gestalt an seiner Seite, deren Gesicht hinter dem Visier verborgen war.
»Nicht wahr, mein Kämpe?«
Die Gestalt hob langsam das Visier, und Jim erstarrte.
Dieses Gesicht hatte er bislang ein einziges Mal gesehen, würde es aber niemals vergessen. Es war das Gesicht des Mannes, von dem er eigentlich angenommen hatte, er verstecke sich auf dem Kontinent. Das Gesicht von Sir Hugh de Bois de Malencontri, mit dem er zum letztenmal vor über einem Jahr auf einer Landzunge am Verhaßten Turm zusammengetroffen war, zu der Secoh ihn auf Geheiß von Sir Hugh gelockt hatte und wo er in Schußweite von Sir Hughs Armbrustschützen geraten war.
»Ich bin hier, und ich bin Euer Gegner«, sagte der stämmige, grobknochige Mann. Er lächelte unangenehm. »Und ich bestehe auch nicht aus Schnee, wie Ihr vielleicht annehmen mögt, Sir James. Ich persönlich stehe vor der Burg, die einmal mir gehörte und die in Kürze wieder mir gehören wird, was der König mit seiner Unterschrift bestätigen wird, sobald erwiesen ist, daß Ihr Malvinnes Gefangener seid. Denn nun wird die Entscheidung im Kampf fallen, und so Gott will« – das Wort klang bitter aus seinem Mund –, »wird sich erweisen, daß Ihr ein falscher und abtrünniger Ritter seid, der keinerlei Anrecht auf seine Sporen, auf dieses Land oder diese Burg hat!«
Unterdessen hatte er die Handschuhe ausgezogen, und nun schleuderte er sie Jim ins Gesicht.
Plötzlich wurde Jim klar, weshalb die Leute, die zum Duell herausgefordert wurden, die Forderung im allgemeinen so bereitwillig annahmen. Der metallverstärkte Handschuh traf ihn wie eine Waffe ins Gesicht. Auf einmal blutete ihm die Nase, seine Lippe war aufgeplatzt und blutete ebenfalls, und er hatte das Gefühl, ein Zahn habe sich gelockert. Plötzlich konnte er es gar nicht mehr erwarten, mit Sir Hugh so rasch wie möglich zur Sache zu kommen.
Der Handschuh war jedoch vor ihm auf die Erde gefallen; und ehe er ihn hochheben konnte, packte Brian ihn beim Arm und zog ihn ein paar Schritte beiseite, damit Malvinne und Sir Hugh von ihrer halblauten Unterhaltung nichts mitbekamen.
»James!« Brian klang beinahe so, als wollte er Jim wieder zur Besinnung bringen. »James! Hört mir zu! Ihr könnt nicht gegen Sir Hugh antreten! Glaubt mir, Ihr könnt nicht gegen ihn
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