Drachenritter 02 - Der Drachenritter
konnte, der den Rest der Lichtung bedeckte, dann wandte er sich zum Haus. Er wußte, daß Gorp nicht weglaufen würde.
Das Haus war ein schlichtes, schmales, zweistöckiges Gebäude mit einem steil geneigten Dach. Die Mauern bestanden aus kieselgroßen, gleichförmig grauen Steinen, während die Dachziegel nahezu himmelblau waren. Aus dem blauen Dach ragte ein ziegelroter Schornstein hervor. Jim ging zur grünen Vordertür, zu der eine einzelne rotbemalte Steinstufe hinaufführte.
Eigentlich hatte er an der Tür klopfen wollen, doch als er näher kam, sah er, daß sie einen Spalt weit offen stand. Aus dem Haus vernahm man eine zornige Stimme, die in einer Sprache dahertobte, die Jim unbekannt war, aber offenbar über eine große Zahl Wörter verfügte, die so klangen, als hätten sie schartige Schneiden und bestimmt nicht als Komplimente gemeint waren.
Es war die Stimme von Carolinus. Anscheinend war der Magier aus irgendeinem Grund erbost.
Von plötzlichen Zweifeln übermannt, zögerte Jim. Carolinus war nicht gerade der Geduldigsten einer. Und wie es aussah, wollte er den Magier ausgerechnet in dem Moment um Hilfe bitten, da dieser mit eigenen Problemen beschäftigt war.
Jims Unbehagen machte jedoch sogleich wieder der friedfertigen Stimmung Platz, die an diesem Ort herrschte. Er stieg die einzelne rote Stufe hoch, klopfte unsicher an die Tür, klopfte noch einmal, als keine Antwort erfolgte, stieß die Tür – da Carolinus entschlossen schien, das Klopfen zu ignorieren – schließlich auf und zwängte sich hindurch.
Der vollgestopfte Raum, in den er trat, nahm das ganze Erdgeschoß ein; im Moment fiel jedoch kein Licht durch die Fenster, obwohl weder die Läden geschlossen noch die Vorhänge zugezogen waren, und es herrschte tiefe Dunkelheit darin. Lediglich die gewölbte Decke war mit ein paar Lichtflecken gesprenkelt.
Carolinus, ein dünner, alter Mann in einem roten Gewand mit einer schwarzen Kappe und einem ebenfalls dünnen, ziemlich schmuddelig wirkenden weißen Bart, stand vor einer von innen heraus leuchtenden, elfenbeinfarbenen Kugel von der Größe eines Basketballs. Aus Öffnungen in der Kugel drang etwas Licht, das die Flecken an die Decke malte. Carolinus beschimpfte das Gebilde in der unbekannten Sprache, die Jim beim Eintreten vernommen hatte.
»Äh…«, machte Jim zögernd.
Carolinus hörte auf zu fluchen – es bestand kein Zweifel daran, daß er mit Fluchen beschäftigt gewesen war – und blickte von der Kugel zu Jim.
»Das ist wohl heute nicht mein Tag…«, begann er heftig, brach dann ab und setzte in kaum freundlicherem Ton hinzu: »Na so was! James!«
»Tja, nun«, meinte Jim zaghaft. »Wenn ich ungelegen komme…«
»Wann kommt schon mal jemand gelegen?« fauchte Carolinus. »Ihr seid hier, weil Ihr in Schwierigkeiten steckt, hab ich recht? Streitet es gar nicht erst ab! Das ist der einzige Grund, weshalb man mich besucht. Ihr steckt in Schwierigkeiten, stimmt's?«
»Tja, also, das stimmt…«, sagte Jim.
»Müßt Ihr unbedingt jeden Satz mit ›tja‹ anfangen?« wollte Carolinus wissen.
»Durchaus nicht«, antwortete Jim. Carolinus Stimmung färbte allmählich auf ihn ab. Carolinus hatte bisweilen diese Wirkung auf andere, selbst auf normalerweise so ausgeglichene Naturen wie Jim.
»Dann unterlaßt es bitte«, sagte Carolinus. »Seht Ihr denn nicht, daß ich eigene Probleme habe?«
»So wie Ihr redet, habe ich mir das schon gedacht«, sagte Jim. »Aber was Euch bedrückt, weiß ich nicht.«
»Wirklich nicht?« entgegnete Carolinus. »Man sollte doch meinen, das müßte selbst ein Narr erkennen – sogar ein Magister Artium.« Das letzte Wort hatte er mit sarkastischer Betonung ausgesprochen. Jim war zu Anfang ihrer Bekanntschaft so unvorsichtig gewesen, Carolinus gegenüber zu erwähnen, daß er an einer Universität des Mittelwestens den Magister Artium im Fach Mediävistik erworben hatte. Erst später hatte Jim herausgefunden, daß die Bezeichnung Magister Artium in dieser Welt und zumal im exklusiven Umkreis der Magier weitaus mehr Prestige beinhaltete und eine viel umfassendere Bildung voraussetzte, als man ihm im Staate Michigan vermittelt hatte.
»Seht Ihr nicht, daß mein Planetarium kaputt ist?« fuhr Carolinus fort. »Die Wiedergabe der Himmelssphären ist völlig auf den Kopf gestellt. Das erkenne ich auf den ersten Blick, aber ich komme einfach nicht dahinter, was da nicht stimmt. Ich bin mir sicher, daß der Polarstern nicht dort sein sollte« – er
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