Drachenruf
ängstigt sie.«
»Das ist nur der Sporenalarm«, erklärte Domick, aber die Männer legten ihre Instrumente weg.
Menolly rief ihre Echsen zur Vernunft und sie ließen sich mit aufgeregt kreisenden Augen auf den Regalen nieder.
»Warte hier auf uns, Menolly!«, sagte Domick, während er mit den beiden anderen zur Tür eilte. »Wir kommen gleich zurück. Das heißt,ich...«
»Ich auch«, riefen Sebell und Talmor beinahe gleichzeitig, und dann war sie allein.
Menolly wartete unruhig. Sie merkte, dass man sich in der Halle auf den Fädeneinfall vorbereitete. Schritte hasteten durch die Korridore, Jalousien rasselten, Metall knirschte, Rufe ertönten hier und dort, und die Luft im Zimmer wirkte mit einem Mal stickig.
Dann begannen große Ventilatoren zu arbeiten.Wieder einmal wünschte sie sich zurück in ihre Höhle an den Klippen. Sie hatte das Eingesperrtsein während des Sporenregens auch in der Burg am Meer stets gehasst. Sie brauchte Luft zum Atmen. Die Angst der anderen machte sie kribbelig. Die einsame Höhle mit ihrem weiten Ausblick auf das Meer war der perfekte Kompromiss zwischen Sicherheit und Freiheit gewesen.
Prinzessin zirpte fragend und flog dann vom Regal auf Menollys
Schulter. Sie spürte den bevorstehenden Fädeneinfall und ihr kleiner Körper spannte sich an.
Das Klirren und Rasseln verstummten, die wirren Rufe ließen nach. Menolly hörte Stimmen draußen und dann kehrte Domick mit den beiden Gesellen zurück.
»Ich weiß, dass du mit deiner Hand keine Oktaven greifen kannst«, wandte sich Domick an sie, als hätte es keine Unterbrechung gegeben, »aber hat Petiron dich überhaupt an der Harfe unterrichtet?«
»Er besaß eine kleine Bodenharfe, doch es war so schwierig, gerissene Saiten zu erneuern, dass wir meist improvisieren mussten...«
Sebell hielt ihr seine Harfe entgegen.
Sie dankte ihm und gab ihm stattdessen die Gitarre.
Domick hatte inzwischen in seinen Regalen gekramt und ein neues Notenblatt hervorgeholt, abgegriffen und an manchen Stellen vergilbt, aber noch einigermaßen lesbar.
Menolly warf einen Blick auf ihre Fingerkuppen. Die Schwielen vom Harfenspiel waren längst verschwunden, und die Haut bekam sicher Blasen, aber... Sie schaute zu Domick auf, und als er ihr zunickte, begann sie ein Arpeggio. Sebells Harfe hatte einen herrlichen Klang, der im Raum schwebte und leise im Holz mitsang. Sie musste die Finger stark verkrümmen, um die Oktaven zu greifen, doch obwohl die Narbe schmerzte, fing die Musik sie so ein, dass sie nicht darauf achtete. Erst gegen Ende des Stücks bemerkte sie, dass die anderen sie begleitet hatten.
»Schluss für heute«, sagte Domick entschieden, als sie das nächste Blatt in die Hand nehmen wollte. Er hielt ihre Narbe ans Licht, und sie sah, dass sich am Rand ein kleiner blutender Riss gebildet hatte.
»Aber...«
» aber ... Domick unterbrach sie weniger schroff als gewohnt. »Es ist Essenszeit. Du hast sicher auch Hunger, Menolly.«
Jetzt erst drang der Duft von Braten und Gemüse in ihre Nase, und sie spürte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Nun ja, in der Pension hatte sie, angestarrt von den anderen, kaum etwas zu sich genommen.
Zu ihrem Erstaunen - und ihrer Freude - war der Mädchentisch an diesem Tag leer. Vor den Fenstern des Speisesaals hatte man die Metalljalousien heruntergelassen, und entlang der Wände brannten große Leuchtkörbe. Irgendwie wirkte der Saal wärmer und freundlicher als je zuvor.
Alle anderen saßen schon an ihren Plätzen. Meister Morshai warf ihr einen düsteren Blick zu, bis Domick sie mit einer kurzen Geste an ihren Platz schickte. Sebell und Talmor schien es nicht das Geringste auszumachen, dass sie zu spät kamen. Aber Menolly spürte sämtliche Augen auf sich gerichtet, als sie den leeren Tisch am Kamin ansteuerte - und das bildete sie sich nicht nur ein.
»He, Menolly«, wisperte ihr eine bekannte Stimme zu. »Beeil dich, damit wir anfangen können!« Piemur hatte am Nebentisch Platz genommen. »Siehst du?«, wandte er sich an seinen Nachbarn. »Ich habe dir gleich gesagt, dass sie sich nicht wie die anderen Weiber in der Burg verkriecht!« Und während sich alle setzten, fragte er sie: »Du hast keine Angst vor den Sporen, oder?«
»Weshalb sollte ich?« Die Antwort schien den Jungen zu gefallen. »Aber was machst du hier? Ich dachte, du darfst dich in der Nähe des Mädchentisches nicht mehr blicken lassen?«
»Die Weiber sind ja nicht da, oder? Und du hast dich beschwert, dass es dir
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