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Drachenruf

Drachenruf

Titel: Drachenruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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verkrampfen begannen. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie noch etwas zu erledigen hatte - die Feuerechsen-Eier! Aber wenn der Meisterharfner noch schlief... Sie lief leichtfüßig die Treppe hinunter, erfreut,
dass ihre Sohlen an diesem Morgen weniger steif und empfindlich waren als noch am Vortag. In der Hauptdiele blieb sie stehen und horchte. Ja, die Stimme des Meisterharfners klang aus dem Speisesaal. Er saß wohl mit den anderen um den runden Tisch und frühstückte. So eilte sie wieder nach oben und den Korridor entlang zu seinem Zimmer.
    Die Tongefäße waren auf beiden Seiten warm, also hatte sie schon jemand umgedreht. Sie schob vorsichtig den Sand beiseite und untersuchte die Schalen nach Sprüngen. Nichts. So deckte sie die Eier wieder zu und verschloss die Gefäße.
    Als sie den Raum des Meisterharfners verließ, hörte sie Domicks Stimme von der Treppe her. Sebell und Talmor begleiteten ihn, Sebell mit einer kleinen Harfe unter dem Arm, Talmor mit einer Gitarre.
    »Da ist sie ja!«, rief Sebell. »Hast du einen Blick auf die Eier geworfen?«
    »Ja. Alles in Ordnung«, beruhigte sie ihn.
    »Dann beeil dich... äh... wenn du kannst...«, brummte Domick. Offenbar waren ihm jetzt erst ihre wunden Füße eingefallen.
    »Meine Sohlen heilen allmählich, Meister«, sagte Menolly.
    »Na, hoffentlich rennst du heute nicht gleich wieder mit den Sporen um die Wette!«
    Während Menolly den drei Männern folgte, überlegte sie, ob Domick seine Worte ernst gemeint hatte oder ob er sie nur necken wollte. Sebell schien ihre Gedanken zu ahnen. Er drehte sich um und blinzelte ihr beruhigend zu.
    In Domicks Arbeitszimmer, das große Leuchtkörbe erhellten, stand eine riesige Sandtischfläche. Glasplatten deckten die Schriftzeichen ab; Menolly bezähmte ihre Neugier - vielleicht hatte Domick es nicht gern, wenn andere Leute seine Musik lasen. Die Regale waren vollgestopft mit eng beschriebenen Häuten und dünnen, gebleichten Blättern aus einem unbekannten
Material, das exakt geschnittene Ränder aufwies. Sie versuchte, diese Schriften näher zu betrachten, aber Meister Domick befahl ihr, auf dem mittleren Hocker Platz zu nehmen. Sebell und Talmor saßen bereits vor den Notenpulten und stimmten ihre Instrumente. So setzte sie sich und warf einen raschen Blick auf die Noten. Ein wenig aufgeregt erkannte sie, dass es ein Stück für vier Instrumente war - und gar nicht so leicht zu lesen.
    »Du übernimmst die zweite Gitarre, Menolly«, erklärte Domick mit einem Lächeln, als erweise er ihr eine große Gnade. Er selbst holte sich eine Metallpfeife mit Klappen, eine jener Flöten, von denen Petiron gesagt hatte, sie eigneten sich nur für geübte Bläser. Höflich unterdrückte sie ihre Neugier, aber ihre Augen leuchteten begeistert, als Domick zur Probe eine Tonfolge blies. Das klang wie die Stimmen der Feuerechsen.
    »Schau dir die Noten ruhig an«, meinte er, als er ihr Interesse bemerkte.
    Sie kam seiner Aufforderung nicht sofort nach.
    Meister Domick räusperte sich. »Das ist sogar üblich bei Musik, die man noch nicht kennt.« Er spielte die Melodie kurz an und fuhr mit scharfem Tonfall fort: »Es handelt sich hier schließlich nicht um ein Anfängerstück.«
    Verlegen überflog sie die Noten und probierte an einer Stelle eine etwas veränderte Begleitung, um zu sehen, ob ihre Hand damit leichter zurechtkam. Sie vergaß, dass sie drei Harfner warten ließ, als sie verzückt die komplexe Melodie betrachtete. »Verzeihung«, murmelte sie, blätterte zurück und schaute Meister Domick an.
    »Bist du fertig?«
    »Ich glaube schon - Meister.«
    »Einfach so?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Nun gut, Mädchen, dann fangen wir an.« Und Domick gab den Takt vor.

    Es hatte Menolly immer Spaß gemacht, mit Petiron zu spielen, besonders wenn sie die Begleitung zu seiner Melodie improvisieren durfte. Aber dass sie nun gleich mit drei Musikern zusammenarbeiten konnte, denen das Spielen im Blut lag, begeisterte sie so sehr, dass ihre Finger wie von selbst über die Saiten glitten. Sie verlor sich völlig in dem Zauber der Musik, und als das Stück zu Ende war, spürte sie fast einen körperlichen Schmerz.
    »Ach, das war herrlich! Könnten wir das noch einmal spielen?«
    Talmor lachte los, Domick starrte sie sprachlos an, und Sebell beugte sich tief über seine Harfe und bedeckte die Augen mit der Hand.
    »Ich wollte dir nicht glauben, Talmor«, sagte Domick kopfschüttelnd.
    Menolly schaute ihn ängstlich an. Hatte sie wieder etwas

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