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Drachenruf

Drachenruf

Titel: Drachenruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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entrückten, selig lächelnden Camo.
    »Und jetzt ›Moretas Ritt‹, wenn es deinen Freunden recht ist«, meinte Brudegan und winkte Menolly, seinen Platz einzunehmen.
    Prinzessin, als hätte sie die Worte verstanden, zirpte und schloss die feinen Innenlider, sodass die Lehrlinge in ihrer Nähe zu kichern begannen. Das erschreckte sie, und sie schlug mit den Flügeln, als wolle sie die Jungen wegen ihrer Unverschämtheit schelten. Das rief neues Gelächter hervor, aber nun richtete Prinzessin den Blick auf Menolly.
    »Gib den Takt, Mädchen«, sagte Brudegan, und nach kurzem Zögern gehorchte sie.
    Der Chor setzte ein, und sie erlebte ein seltsames Gefühl der Macht, als sie merkte, dass sich die vielen Stimmen ihr unterwarfen. Prinzessin führte den Gesang ihrer Echsen in schwindelnde Höhen, Oktaven über dem Summen der Baritone, welche die Tragödie von »Moretas Ritt« einleiteten.

    Menolly hatte oft die Abendgesänge in der Halbkreis-Bucht dirigiert, doch hier sprachen geschulte Stimmen auf ihre Geste an, und das machte einen Unterschied wie Tag und Nacht.
    Weiche Baritonstimmen sangen von der schlimmen Seuche, die sich in Windeseile über das ganze Land gebreitet hatte. Dann fiel der Chor mit dem Refrain ein, schilderte Moretas Not, allein gelassen im Fort-Weyr mit Orlith, die jeden Moment ihre Eier ablegen musste, während alle Heiler des Landes verzweifelt versuchten, die Ursache des Leidens zu ergründen und ein Mittel dagegen zu entdecken. Die Tenöre nahmen den Faden des Dramas auf, Bässe und Baritone sangen eindringlich von dem Elend auf Pern, den vernachlässigten Herden, den verdorrten Ernten, den Wher-Rudeln, welche die mit Siechtum geschlagenen Höfe umlauerten.
    Nun das Solo von Capiam, dem Meisterheiler von Pern, der den Erreger der Seuche findet und einen Heiltrank braut. Die Drachenreiter, die sich noch auf ihren Tieren halten können, fliegen in die Regenwälder von Nabol und Ista und bringen Capiam die Samenkapseln mit, welche die Rettung bedeuten.
    Das Duett zwischen Bariton Capiam und Sopran Moreta; verschwommen kam Menolly zu Bewusstsein, dass Piemur die Rolle der Moreta sang. Moretas Schwanken zwischen Pflicht und Liebe, als sich herausstellt, dass sie zu den wenigen gehört, die immun gegen die Seuche sind. Sie zwingt ihre Königin Orlith fort von dem frischen Gelege ins Dazwischen, reitet von Burg zu Burg, von Weyr zu Weyr, um den Heiltrank zu verteilen. Die letzte Strophe, ein klagender Diskant, gesummt von den Feuerechsen, als Orlith, die zu Tode erschöpfte Moreta auf dem Rücken, Vergessen im Dazwischen sucht.
    Ein tiefes Schweigen folgte dem leisen Schlussakkord und Menolly konnte sich nur mit Mühe aus dem Bann der Ballade lösen.
    »Ich frage mich, ob wir das Lied je in dieser Reinheit wiederholen
können«, meinte Brudegan leise. Ein Seufzer ging durch die Halle.
    »Das machen die Feuerechsen«, hörte man Piemur murmeln.
    »Du hast recht, Piemur«, pflichtete Brudegan ihm bei, und auch die anderen nickten zustimmend.
    Menolly hatte sich hingesetzt. Ihre Knie zitterten. Sie nahm einen Schluck kalten Klah. Das half.
    Brudegan beobachtete aufmerksam die Echsen. Sie saßen auf dem Kaminsims, schüttelten die Schwingen und schienen nicht zu ahnen, welchen Aufruhr sie in der Harfnerhalle hervorgerufen hatten.
    »Schöne Kleine schön singen«, stammelte Camo. Er trat neben Menolly und goss ihr aus einem Krug dampfenden Klah ein. Dann ging er durch die Reihen und schenkte die anderen Becher voll.
    »Das gefällt auch dir, Camo, was?«, meinte Brudegan mit einem Lächeln. »Sie singen noch reiner als Piemur und der hat die schönste Stimme weit und breit.« Brudegan fuhr Piemur durch das Haar. »Was der Schlingel natürlich genau weiß!«
    »Schöne Kleine wieder singen?«, fragte Camo wehmütig.
    »Wir werden sie sicher noch öfter hören«, entgegnete Brudegan und nickte Menolly zu. »Aber im Moment müssen wir andere Dinge üben. Da ist beispielsweise der Festchoral für Baron Groghe, der immer noch nicht sitzt.« Mit einem Seufzer stand er auf und hob die Hand. Die Lehrlinge schwiegen. »Fesnal, wir beginnen mit dem Tenorsolo...«
    Menolly zog sich etwas zurück und lauschte. Ihre Fingerkuppen schmerzten von den harten Harfensaiten und die Narbe an der Handfläche schien zu glühen. Leider hatte sie das Gefäß mit der Betäubungssalbe in der Pension vergessen. Das bedeutete, dass sie warten musste, bis der Sporenregen vorbei war. Sie überlegte, ob die Mädchen wussten, was

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