Drachenruf
langweilig ist, wenn du keinen zum Reden hast. Also - jetzt hast du mich.«
»Menolly?«, fragte der Junge mit den vorquellenden Augen, der ihr meist gegenübersaß. »Stimmt es, dass Echsen Feuer atmen wie die Drachen und Jagd auf Fäden machen?«
Menolly warf Piemur einen Blick zu, doch der war die Unschuld selbst.
»Meine haben das noch nie getan, aber sie sind auch sehr jung.«
»Siehst du, Brolly!«, trumpfte Piemur auf. »Die Jungdrachen in den Weyrn kämpfen auch nicht gegen die Fäden an. Feuerechsen sind nämlich nichts anderes als kleine Drachen, habe ich recht, Menolly?«
»Es scheint zumindest so.«
»Wo sind sie denn jetzt?«, wollte Brolly wissen.
»In Meister Domicks Arbeitszimmer.«
Das Fleisch kam und die Gespräche verstummten vorübergehend. An diesem Tag holte sich Menolly kühn vier Scheiben Braten von der Platte. Sie griff noch vor Brolly nach dem Brot. Und sie legte Piemur einige der Rotknollen auf den Teller, die er großzügig übersehen hatte. Er war viel zu klein und dünn und musste ordentlich essen, fand sie.
Menolly wusste nicht, ob es Piemurs Gesellschaft oder die Abwesenheit der Mädchen war, aber plötzlich schloss man sie in die Gespräche bei Tisch ein. Die Jungen begannen, sie wieder nach den Feuerechsen auszufragen. Wie es schien, hofften sie alle darauf, dass die kleine Königin bald zum Paarungsflug aufstieg und dann Eier legte.
»Was nützt uns das?«, maulte Piemur. »Die Meister und Gesellen sind ja doch vor uns dran!«
»Man müsste die Tiere selbst wählen lassen, so wie bei der Gegenüberstellung der Drachen«, warf Brolly ein.
»Da unterscheiden sich die Echsen von den Drachen, Brolly«, meinte Piemur. »Denk doch nur an Baron Groghe! Welcher Drache hätte den ausgesucht, wenn er die Wahl gehabt hätte!«
Die anderen Jungen warfen ihrem vorlauten Freund warnende Blicke zu.
»Die Weyr nehmen das Ganze fest in die Hand«, fuhr Brolly fort. »Und sie verteilen die Eier so, wie es ihnen günstig erscheint.«
»Sicher, aber man kann eine Echse nicht dazu zwingen, bei jemandem zu bleiben, der sie quält«, widersprach Piemur. »Ich habe gehört, dass Baron Merons Echse oft tagelang einfach verschwindet.«
»Wohin fliegen die Kleinen denn?«
Da Menolly diese Frage auch nicht beantworten konnte, war sie fast froh um den schrillen Alarmton, der ihr Gespräch unterbrach.
»Das bedeutet, dass die Fäden direkt über uns fallen«, erklärte Piemur und schielte argwöhnisch zur Decke.
»Seht euch das an!« Brollys verblüffter Ausruf weckte die Aufmerksamkeit der anderen.
Auf dem Kaminsims hinter Menolly saßen in einer Reihe die neun Feuerechsen. Ihre Augen kreisten und schillerten in allen Regenbogenfarben, ein Zeichen höchster Erregung. Sie hatten die Schwingen gespreizt und die Krallen entblößt. Ihre Zungen schnellten vor, als holten sie unsichtbare Fäden aus der Luft.
Menolly richtete sich auf und warf einen Blick zum Tisch der Meister. Domick nickte ihr zu und stand ebenfalls auf. Er winkte einen der Gesellen zu sich.
»Jetzt wäre der Warnchor angebracht, Brudegan«, meinte er und näherte sich dem Kamin, ohne die Echsen aus den Augen zu lassen.
Menolly streckte die Hand nach Prinzessin aus, aber die kleine Königin beachtete sie gar nicht. Sie hob den Kopf und begann, ganz hoch zu klagen, auf und ab, auf und ab, in Oktaven, die an der Grenze des menschlichen Hörbereichs lagen und gegen die Schläfen der Zuhörer pressten. Die anderen Echsen stimmten ein.
»Menolly, kannst du die kleinen Geschöpfe dazu bringen, dass sie uns begleiten? Brudegan, den Takt...«
Füße begannen zu stampfen - eins, zwei, drei, vier -, und unvermittelt wurde das Wehklagen der Feuerechsen vom Chor der
Lehrlinge übertönt. Prinzessin legte erstaunt die Schwingen an den Körper und Spiegel wäre vor Schreck um ein Haar vom Sims gekippt.
»Rührt die Trommeln für den Krieg,
Schlagt die Harfe für den Sieg...«,
sangen die Stimmen. Menolly fiel ein, wandte sich mit ihrem Gesang direkt an die Feuerechsen. Sie merkte, dass Brudegan neben sie trat, gefolgt von Sebell und Talmor. Brudegan dirigierte die Lehrlinge, gab ihnen jeweils den richtigen Einsatz. Über den Knaben- und Männerstimmen klang rein und hell der Gesang der Echsen, die ihre eigenen Harmonien um die Melodie flochten.
Der letzte Ton verklang in den Gängen der Harfnerhalle. Und vom Eingang zum Speisesaal kam ein großer Seufzer des Bedauerns. Menolly sah die Küchenmägde und in ihrer Mitte einen völlig
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