Drachenruf
Fest gefallen habe. Sie lachten über ihre begeisterte Antwort.
»Nach einem gelungenen Fest sind alle besser gelaunt«, meinte Talmor.
»Alle bis auf Morshai«, grinste Sebell und blinzelte Talmor zu, als teilten die beiden ein Geheimnis.
»Fangen wir zu spielen an!«, sagte Talmor knapp. »Fertig, Menolly?«
Während Menolly ihre Gitarre stimmte, blätterte Talmor die Noten auf dem Ständer durch. »Wo sollen wir anfangen?«
»Meister Domick hat gesagt, ich müsste mir die Dynamik der zweiten Variation besonders gut einprägen«, warf Menolly schüchtern ein.
»Na schön, wenn er das sagt.« Talmor suchte die Stelle heraus. »Beim Großen Ei... jetzt hat er den Text zum dritten Mal geändert! Was verlangt er denn noch alles von uns?«
»Ist das Stück schwer?«, fragte Menolly ängstlich.
»Nicht schwer - nur durch und durch Domick«, seufzte Talmor. Aber er klopfte den Rhythmus auf das Holz seiner Gitarre
und sie fingen an. Ein einziges Mal konnten sie die Variation durchspielen, ehe Domick ins Studio gehetzt kam. Er nickte ihnen zu und nahm seinen Platz ein.
»Beginnen wir gleich mit der zweiten Variation! Ihr hattet ja Zeit genug zum Üben.«
Sie arbeiteten das Stück gründlich durch und verweilten immer wieder an den schwierigen Passagen. Der Gong zum Mittagessen unterstrich das Finale.Talmor und Sebell legten ihre Instrumente mit einem erleichterten Seufzer weg. Nur Menolly spielte noch einmal leise die drei Schlussakkorde.
»Schmerzt deine Hand sehr?«, erkundigte sich Domick mit ungewohnter Rücksichtnahme.
»Nein. Ich wollte nur hören, ob das weich genug klingt.«
»Wenn dich ein Misston gestört hat, dann sicher mein Magenknurren«, erklärte Talmor.
»Gestern zu viel gefeiert?«, fragte Sebell spöttisch.
»Nein, heute zu wenig gefrühstückt«, erklärte Talmor und schnitt eine Grimasse, als er den Raum verließ. Sebell folgte ihm lachend.
»Musst du heute Nachmittag zu Meister Shonagar?«, fragte Domick, während er an Menollys Seite aus dem Studio ging.
»Ja.«
»Nun, da lässt sich wohl nichts ändern.« Menolly spürte, dass er es lieber gesehen hätte, wenn sie sein Stück übte, aber Meister Robinton hatte ihr strikte Anweisungen erteilt: vormittags Meister Domick und nachmittags Meister Shonagar.
Als sie den Speisesaal betraten, waren die meisten Tische bereits besetzt. Domick ging nach rechts zu den Meistern. Menolly erhaschte einen bitterbösen Blick von Meister Morshai, und sie schaute rasch weg, denn sie wollte sich von dem grämlichen alten Mann die Laune nicht verderben lassen.
»Pona ist fort!« Piemur stand plötzlich neben ihr und seine Miene strahlte tiefe Befriedigung aus. »Also kann ich jetzt wieder
in deiner Nähe sitzen. Audiva hat gesagt, dass nur Pona sich beschwerte. Und sie bittet dich, dass du den Platz neben ihr einnimmst.«
»Pona ist fort?« Menolly war erstaunt und beunruhigt zugleich. Sie ließ sich von Piemur zu dem Tisch am Kamin ziehen. Links und rechts von Audiva warje ein Platz frei und das hochgewachsene Mädchen deutete mit einem schüchternen Lächeln auf den Eckplatz neben sich.
»Siehst du - Pona fehlt«, wisperte Piemur. »Ein Drachenreiter hat sie heimgebracht.«
Der ehrenvolle Abgang seiner Widersacherin schien ihm weniger zu gefallen.
»Wegen gestern?« Menolly spürte einen kalten Klumpen im Magen. Pona in Duncas Pension, eingeschränkt durch die Vorschriften der Harfnergilde, das ging gerade noch. In der Burg ihres Großvaters konnte sie jedoch ungehindert auf Rache sinnen.
»Nein, nicht nur wegen gestern«, erklärte Piemur mit Nachdruck. »Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Gestern, das hat allerdings den Ausschlag gegeben - eine Verleumdung in aller Öffentlichkeit. Und Dunca bekam von Silvina einiges zu hören...«
Timiny belegte drei Plätze gegenüber Audiva und winkte ihnen ungeduldig.
»Setz du dich zu Timiny, Piemur! Ich gehe zu Audiva. Sieht so aus, als versuchten die anderen Mädchen, sie zu schneiden.«
Als sie neben Audiva Platz nahm, fing sie einen erstaunten, feindseligen Blick von Briala auf. Das dunkelhaarige Mädchen stieß ihre Nachbarin Amania an, die empört den Kopf schüttelte. Menolly lächelte Audiva beruhigend zu und spürte unter der Bank einen dankbaren Händedruck. Audivas Augen wirkten rot und verschwollen.
Die Mahlzeit begann. Menolly war zu verwirrt und Audiva zu
erregt zum Plaudern, aber Piemur fühlte sich frei von Hemmungen, und er erzählte munter, auf welche Weise er seine Marken
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