Drachentau
Übel geweckt hat. Was immer das bedeutet.«
Letizia rieb sich ihre Oberarme. »Ich muss an die Kälte denken in diesem grauenvoll engen Gang aus der Drachenhöhle.«
Bernhard nickte. »Die Kälte war entsetzlich. Keine Winterkälte. Eine, die in deine Knochen kriecht und dich von innen erfrieren lässt. Ich hatte fürchterliche Angst. War froh, als ich da durch war.«
»Ja, genau so war es. Und du glaubst, im Berg ist noch etwas?«
»Ich weiß es nicht. Tumaros Schatz ist jedenfalls verschüttet.«
»Das soll er auch bleiben. Er ist geraubt. Blut klebt an ihm.«
Still schauten sie Richtung Drachenberg, schoben dann aber die aufkommenden Bilder beiseite.
»Wie geht es deinem Wald, kleiner Bruder? Kommst du voran? Das ganze Dorf ist begeistert, dass man jetzt tiefer hineingehen kann.«
Bernhard schob sich wieder einen Bissen in den Mund. »Ich bin zufrieden. Wir kommen ganz gut voran, aber es wird noch Jahre dauern, bis alle Schattenwesen vertrieben sind.«
»Wie lange war er beinahe unpassierbar? Dagegen sind einige Jahre ein winziger Augenblick.«
»Das ist wohl wahr. Ich bin froh, dass ich auf diese Weise wenigstens ein wenig von dem wiedergutmachen kann, was unser Vater hier angerichtet hat.«
»Ach Bernhard, du musst gar nichts gutmachen. Es war nicht deine Schuld.«
Bernhard seufzte. »Ich weiß, aber Gefühle hallen lange nach, auch wenn der Kopf es schon kapiert hat.«
»Gefühle! Da sprichst du was an. Ich habe dich aus einem bestimmten Grund nach Eschagunde gefragt.«
»Und der wäre?«
»Na ja, erinnerst du dich noch an die goldenen Kekse, die sie uns gegeben hat?«
Bernhard nickte. »Sehr gut sogar.«
»Emilia sagt, sie enthielten einen Schutzzauber, der bewirkt, dass man seelischen Schmerz nicht fühlt.« Letizia sprach leise weiter. »Wenn Tumaros Mama ... Du weißt schon.«
»Ich verstehe.«
»Also, dieser Schutzzauber muss wieder aufgelöst werden. Ich denke besonders an Emil und Ella, aber auch an mich. Du hast deinen ja Mama gegeben.«
»Machst du dir Sorgen?«
»Ja.«
»Eschagunde wird es nicht vergessen. Sie wird zurückkommen und sich darum kümmern. Verlasse dich darauf.«
Letizia lächelte. »Danke Bernhard, es tut gut, mit dir zu reden. Dir muss ich nichts erklären.«
»Geht mir auch so. Niemand kann wissen, wie es ist, in einer Drachenhöhle aufzuwachsen.«
»Aber du hast etwas gemacht aus deinem Drachenblut. Das bewundere ich sehr.«
Bernhard drückte ihre Hand. »Du hast auch was draus gemacht.«
Letizia nickte und stand auf. »Es ist schön bei dir, aber jetzt muss ich nach Hause. Wir sehen uns nächste Woche zur gleichen Zeit.«
»Vielleicht auch schon früher. Habe Mama lange nicht gesehen.«
Letizia grinste breit. »Wenn das kein Grund zum Kommen ist.«
Sie umarmten sich herzlich zum Abschied und dann war Bernhard wieder allein. Aber seine Gedanken blieben nicht in der Hütte. Sie gingen zu einer wunderschönen Bärin mit hellem Fell und blauen Augen.
Am späten Vormittag, bei strahlendem Sonnenschein, kam Bernadette den Mittelweg hinunter auf Bernhards Hütte zu. Er saß auf seiner Bank am Weg und es machte ihm nichts aus, dass sie sah, wie er auf sie wartete.
Er ging ihr entgegen und nahm freudig erregt ihre Hand. »Guten Morgen, Bernadette. Schön, dass du da bist.«
»Guten Morgen, Bernhard. Das Wetter ist ja wie bestellt für einen Waldspaziergang.«
Bernhard schnallte seinen fertig gepackten Rucksack auf den Rücken. »Wie weit traust du dich an den Drachenberg heran.«
»Mit dir? So weit, wie du gehst.«
Bernhard lächelte verlegen. »Na dann komm.«
Der Bärenweg war ein gutes Stück breiter geworden und man konnte mindestens zehn Meter rechts und links ohne Gefahr ins Unterholz gehen. Holzsammeln und Pilzesuchen war ein Kinderspiel auf dem hellen und freundlichen Weg. Bernhard erklärte Bernadette leidenschaftlich, wie er den Wald umgestaltet hatte und die Schattenwesen zurückwichen.
»Du kennst dich gut aus mit diesen Turocks, nicht wahr?«
»Gesehen hat sie noch niemand. Aber ich war einmal ihr Gefangener und wer weiß, was sie mit mir gemacht hätten, wäre keine Hilfe gekommen.«
»Oh Bernhard, das muss schrecklich gewesen sein.« Sie fasste seine Hand, die eiskalt war, und nahm sie zwischen ihre.
»Na ja, toll war es nicht.«
»Wie bist du aus der Drachenhöhle herausgekommen?«
»Durch einen Zaubergang.« Bernhard erzählte den ganzen Tag, von seiner Kindheit in der Drachenhöhle, wie seine Mutter misshandelt wurde, wie er zur
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