Drachenwacht: Roman (German Edition)
allein waren. »Doch nicht so ein Einfaltspinsel, ja?« Laurence schwieg verunsichert, bis Wellesley hinzufügte: »Ich werde nicht meinen Atem verschwenden herauszufinden, wer aus meinem Stab Ihnen die Nachricht gesteckt hat, aber Sie werden mich verstehen: Sollten Sie jetzt so unverschämt sein, meine Zeit mit irgendwelchen verfluchten Erpressungsversuchen zu verschwenden, dann werde ich Sie eigenhändig erschießen.«
Und da verstand Laurence: Wellesley glaubte, der Zeitpunkt für seinen Brief sei mit Bedacht gewählt worden, nämlich unmittelbar vor dem Vorstoß Richtung Süden, um Wellesley selbst die Verantwortung für das Abschlachten der französischen Irregulären in die Schuhe schieben zu können.
»Ich will kein einziges verdammtes Wort der Entschuldigung von Ihnen hören«, sagte Wellesley. »Nicht ein einziges. In drei Tagen stehen wir Bonaparte gegenüber, und wenn ich gewinne, wird niemand auch nur irgendwelche verfluchten Anschuldigungen mehr vorbringen.« Dann fügte er mit eisiger Stimme hinzu. »Aber natürlich wird man sich gut um Sie kümmern, wenn wir verlieren. Rowley«, bellte er. »Bringen Sie mir meinen Schreibtisch und rufen Sie den Generalstab.«
Offiziere strömten herein, die vollbeladen mit Tischen, Karten und Stühlen waren. Laurence wurde fast auf der Stelle von Wellesley weggedrängt, als sich seine Leute um ihn sammelten, sodass jede Antwort, die er hätte geben wollen, in der Menge untergegangen wäre.
Er fühlte das dringende Bedürfnis, sich durch die Massen zu schieben, Wellesley zu stellen und mit ihm zu streiten, aber er zwang sich stehen zu bleiben. Es spielte keine Rolle. Egal, wie sehr er alles abstritt, Wellesley würde ihm nicht glauben. Ob Wellesley ihn für einen Lumpen hielt, weil er sich weigerte, wie zuvor weiterzumachen, oder weil er diese Aufgabe überhaupt übernommen hatte, machte keinen großen Unterschied. Laurence hatte es verdient, solchermaßen verurteilt zu werden, also konnte er es auch wegen des falschen Grundes ertragen.
»Emily«, sagte er stattdessen, wandte sich um und winkte sie zurück ins Gebäude. Sie hatte an einer Seite vorsichtig am allgemeinen Gedränge vorbei durch die Tür gespäht. »Nehmen Sie Demane, gehen Sie nach oben und öffnen Sie die Scheunentore«, trug er ihr auf, »damit Temeraire und die anderen Drachen zuhören können.«
Er selbst ging nach draußen. Dort war es inzwischen vollkommen
überfüllt, obwohl weitere Bäume entwurzelt worden waren und sich eine breite Schneise zur Straße hin öffnete. Jeder Drache, der gelandet war, um Männer abzusetzen, zankte sich nun mit den anderen um einen Platz vor den Scheunentoren.
»So geht das nicht«, sagte Jane. Excidium war gelandet, nachdem ein warnendes Zischen ihm eine Lücke geöffnet hatte. »Nur Drachen vom Rang oberhalb eines Leutnants dürfen bleiben, alle anderen müssen sich zum Rest der Armee gesellen und warten, bis sie die Neuigkeiten später von ihren Offizieren oder Kapitänen erfahren. Wir mussten ihnen nämlich allen einen Rang zuweisen, dank Temeraires tollem Einfall«, fügte sie trocken, an Laurence gewandt, hinzu. »Die anderen wurden entsetzlich griesgrämig und wollten auch Epauletten haben, diese eitlen Biester.« Sie tätschelte Excidium, der schmuck aussah mit seinen zwei Epauletten in tiefdunklem Orange, die an den Rändern seiner mächtigen Schwingen befestigt worden waren.
Sie hatten kaum für Ordnung gesorgt und sich selbst in die Scheune gezwängt, als Wellesley loslegte. Seine Adjutanten entrollten eine Karte der Straßen und Wege von Chatham an der Mündung der Themse, wo sie sich in den Kanal ergoss; alle kleineren Städte und Dörfer der Umgebung waren eingezeichnet. Ihre Positionen waren markiert, und ein leises, allgemeines Murmeln wurde unüberhörbar. Sie würden mit dem Rücken zum Meer stehen.
»Nun, Gentlemen, ich sehe, Ihnen gefällt unsere Position ebenso gut wie hoffentlich unserem Freund Bonaparte«, sagte Wellesley. »Die Marine und das Korps haben seine Nachschublinien zum Kontinent fast völlig abgeschnitten, und die Landbevölkerung hat sich erhoben. Er verliert jeden Tag hundert Männer und jede Woche zwei Drachen, weil er sie nicht mehr versorgen kann. Deshalb kann er es sich nicht leisten, uns eine Feldschlacht zu verweigern, wenn wir sie ihm zu annehmbaren Bedingungen bieten – und ich bin mir sicher, als solche wird er sie ansehen.«
Die Bedingungen schienen tatsächlich annehmbar, jedenfalls aus
der Perspektive der
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