Die Magie Des Herrschers
Kontinent Kalisstron, Bardhasdronda,
Frühjahr 459 n. S.
D en Schwertarm höher, verdammt!«, fluchte Waljakov. »Genau das Gleiche habe ich schon zu deinem Vater gesagt, Knirps.« Wuchtig landete die stumpfe Schneide des Übungsschwerts auf Lorins Säbel. Die parierende Klinge federte zurück und traf den Jungen an der Stirn. Benommen fiel er auf den Fußboden von Waljakovs Unterkunft. »Wie sein Vater«, murmelte der Leibwächter.
Stöhnend kam der Junge auf die Beine. Die leichte Platzwunde dicht unterhalb des Haaransatzes schloss sich von selbst, nur der dünne, rote Faden blieb auf der Stirn zurück. »Es kann weitergehen«, meldete er und packte den Griff des Säbels fester. Ich muss Rantsila übermorgen schlagen.
»Du bist zäh«, lobte ihn der Hüne, »aber du wirst es auf diese Weise nicht schaffen, dich gegen den Milizionär zu behaupten.« Ansatzlos zuckte seine Waffe von unten nach oben. Lorin schlug sie zur Seite und rammte seinem Mentor den Ellbogen gegen die Brust.
Schnaufend taumelte Waljakov einen Schritt zurück. »Das war gut«, lobte er gepresst. Ich bin wirklich zu alt, um Kindermädchen zu spielen. Die flache Seite seiner Klinge schnellte vorwärts. Zwar wurde sie pariert, nutzte aber den Schwung, um Lorin knapp unterhalb des Schultergelenks schmerzvoll zu touchieren. Sein Arm wurde augenblicklich taub; seine Finger öffneten sich, die Waffe polterte auf die Dielen. »Aber höre erst mit deinem Angriff auf, wenn du sicher bist, dass du deinen Gegner kampfunfähig gemacht hast. Alles andere führt zu deinem Tod.« Die eisgrauen Augen wurden etwas milder. »Du wirst Rantsila jedenfalls schwer in Verlegenheit bringen. Mach mir in zwei Tagen keine Schande, Knirps.«
Wie ein Stück totes Fleisch hing der Arm an Lorins Seite herab. »Wie hast du das gemacht?«, erkundigte er sich überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, dass du empfindliche Stellen so genau treffen kannst.« Kribbelnd meldete sich sein Arm ins Leben zurück.
»Ich schneide dir eine einzelne Wimper ab, wenn ich möchte«, warnte ihn der Leibwächter. Er nahm sich einen Becher Wasser und trank ihn in einem Zug leer; danach wischte er sich mit einem Tuch über die schweißnasse Glatze. »Du wirst deine Magie nicht einsetzen, hast du verstanden, Knirps? Nur Schwerter, kein Hokuspokus.«
»Was glaubst du, weshalb ich so hart mit dir übe?«, gab der Junge beleidigt zurück. »Wenn ich meine Gabe einsetzen dürfte, wäre der Kampf nach zweimaligem Klingenkreuzen vorüber.« Grinsend verstaute er den Säbel in der Hülle, legte ihn auf den Tisch und setzte sich. »Ich würde ihn mit seinem eigenen Schwert vertrimmen, dabei in der Ecke stehen und zuschauen.«
»Ein andermal«, meinte Waljakov mürrisch. »Aber nicht in zwei Tagen. Ich verlasse mich auf dein Wort, Knirps.« Aufatmend ließ auch er sich auf einen Stuhl fallen.
»Dann gehe ich nun zu Jarevrån«, verabschiedete sich Lorin.
Sein Waffenlehrmeister betrachtete ihn gütig; Melancholie schlich sich in das ansonsten so unnahbare, kalte Grau seiner Augen. Die mechanische Hand legte sich mit einem dumpfen Laut auf die Tischplatte, die künstlichen Fingerglieder bewegten sich klackend und ballten sich zu einer stählernen Faust, die der Hüne nachdenklich betrachtete. »Es ist schade, dass du sie nicht kennen gelernt hast.« Beinahe glaubte Lorin, dass Waljakov ihm etwas sagen wollte, das über den üblichen Gesprächsstoff während der nachmittaglichen Übungsstunden hinausging. Doch dann verfinsterte sich die Miene des stattlichen Mannes, krachend schlug die Faust auf das Holz. »Geh jetzt, Knirps. Und morgen will ich dich in aller Frühe hier sehen.«
»Du mochtest meine Mutter, nicht wahr?« Lorin erriet Waljakovs Gedanken. »Ihr mochtet euch sehr – Stoiko, meine Mutter und du.«
Langsam hoben sich die breiten Schultern des Leibwächters. »Ja. Sehr. Wir haben viel zusammen erlebt. Nur leider war es einmal etwas zu viel.« Er fuhr Lorin grob durch die kurzen Haare, dann nickte er wortlos in Richtung der Tür.
Der Junge schenkte seinem Freund ein aufmunterndes Lächeln und lief hinaus.
Die alte Gebetsmühle Matuc hat Recht. Waljakov kniff die Lippen zusammen. Er sieht ihr so furchtbar ähnlich. Bei allen Göttern, lasst Norina gesund sein und irgendwo ein glückliches Leben führen.
Wie immer führte Lorin der Weg zu Jarevrån durch die Gasse, in der er damals durch eine unglückliche Fügung mit der Kalisstra-Priesterin zusammengestoßen war. Ich werde mein
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