Drachenwacht: Roman (German Edition)
Schlacht!
Ihre eigenen Stützpunkte waren ebenfalls an der Küste eingerichtet worden, nach Norden hin und nach Süden, an den Flanken der Schlacht. Temeraire konnte die gepunkteten Linien der Fischerhütten erkennen, die um sie herum verstreut lagen, den schwach schimmernden gelben Kerzenschein in manchen Fenstern und die felsige Küste, die sich wie eine dunkle Masse von dem etwas helleren Himmel abhob. Hinter ihnen war das ständige Tosen der Brandung zu hören. Noch war es dunkel; die Stimmen der Fleur-de-Nuits, die ihre Positionen ausspionierten, gellten über ihren Köpfen. Manchmal wurde ein Schuss abgefeuert, um sie zu blenden, oder einige willkürlich ausgewählten Drachen stiegen auf, um ein paar von ihnen zu verjagen.
Laurence stand kurz vor Anbruch der Morgendämmerung auf und kletterte von Temeraires Rücken, um einen Blick auf das Schlachtfeld zu werfen. »Ist Napoleon hier?«, fragte Temeraire eifrig. »Sind die Franzosen schon da?«
»Ja«, antwortete Laurence. »Sie stehen hinter ihren Befestigungen. Wenn du nach unten guckst, kannst du sie sehen.«
Temeraire senkte den Kopf und legte ihn schräg, sodass er mit einem Auge hinabspähen konnte: Vor dem dunklen Grau des heller werdenden Himmels konnte er auf einem Hügel die winzigen Linien der Befestigungen ausmachen: die schmalen Stellungen, kaum mehr als Stangen, welche mal in die eine, mal in die andere Richtung gelehnt waren, und die massiveren Silhouetten am Boden – schlafende Soldaten, die auf diese Weise in ihren Kolonnen blieben. Über ihnen verblassten die Sterne und verschwanden. Ein dicker, grauer Nebel waberte von der See her herein, während der Himmel langsam heller wurde.
»Es ist Zeit«, sagte Laurence. Fellowes rührte sich hinter Temeraires Bein, gähnte und erhob sich, um nach dem Geschirr zu sehen.
Temeraire grollte leise und tief in seiner Kehle, dann rief er: »Majestatis, Ballista. Es wird Zeit, dass alle aufstehen.«
»Mir gefällt dieser Plan immer noch ganz und gar nicht«, sagte Perscitia besorgt, während sie frühstückten: frisches Vieh, das extra für diesen Morgen aufgehoben worden war, und beinahe alle konnten so viel fressen, wie sie wollten. »Ich verstehe nicht, wo da der Sinn liegen soll, erst so hart zu kämpfen, um sie aus dem Zentrum herauszuhalten, und es ihnen dann doch noch zu überlassen. Warum können sie es denn nicht gleich von Anfang an haben? Und bist du ganz sicher, dass sie überhaupt da sind?«
Die Frage war nicht so seltsam, wie sie zuerst klang; der Nebel war derart dicht geworden, dass nichts vom Boden mehr zu sehen war außer den Bäumen unmittelbar rings um die Lichtung. Es blieb nur, darauf zu vertrauen, dass die eigene Armee da war, von den Gegnern ganz zu schweigen.
»Ja, ich bin mir völlig sicher«, sagte Temeraire. »Laurence hat sie mir ganz früh heute Morgen gezeigt. Ich bin überzeugt davon, dass wir sie besser sehen werden, wenn wir erst mal in der Luft sind.«
Als sie aufstiegen, schlug ihnen ein feiner Eisregen entgegen. Sie hatten das Los entscheiden lassen, um die Schichten einzuteilen, denn Admiral Roland hatte darauf bestanden, dass sie nicht alle gleichzeitig kämpften, und Temeraire sah ein, dass es sinnvoll war, einige Drachen als Reserve zurückzuhalten, falls die Schlacht sehr lange dauern sollte. Er war trotzdem ausgesprochen erleichtert, dass er die erste Reihe anführen durfte, und hoffte im Stillen, dass der Nebel sich halten würde. Vielleicht würde Laurence dann nicht merken, wenn der Mittag angebrochen und es Zeit für sie war, sich auszuruhen.
Aus der Luft jedoch war auch nicht viel mehr zu erkennen. Nebelbänke füllten jedes Tal, jede Senke wie einen Kessel, und weitere riesige, sich auftürmende Wolken rollten majestätisch vom Meer herein.
So hoch reichten sie, dass sie ihn und den darunterliegenden Boden gleichermaßen verschluckten, und in Böen prasselte heftiger Regen rhythmisch auf Temeraires Flügel. Als sie über das Schlachtfeld flogen, konnte er nach und nach die Reihen der Soldaten in ihren Kompanien auf dem Vormarsch erkennen, die alle ein wenig anders formiert waren wie Flicken von merkwürdiger Größe auf einer Decke. Manche zogen sich wie lange Bänder dahin und waren nur fünf Mann breit, andere bildeten eine große Masse auf dem Schlachtfeld.
Schwarze, weiße, blaue und rote Kolonnen wogten zu beiden Seiten über den Boden, schoben sich die Hügel hoch und wieder ins Tal hinab, wo der Nebel sie erneut verschluckte. Selbst dann
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