Drachenwege
schlief neben ihm im Bett und hatte ihm sämtliche Decken weg-genommen. Kindan versuchte, sich mindestens eine Decke zurückzuholen, doch dann fiel ihm ein, dass
Silstra heute für immer fortgehen würde.
Er hievte sich aus dem Bett und zog sich seine Werk-tagskleidung an, ehe er die Küche aufsuchte. Das Feuer war niedergebrannt, und der Raum eisig kalt. Sonst stand Silstra immer als Erste auf, entzündete das Feuer, sorgte dafür, dass in einem großen Topf auf dem Herd der Haferbrei für das Frühstück vor sich hinköchelte und daneben eine große Kanne mit frisch gebrühtem Klah stand.
Nun musste jemand anders diese Arbeit übernehmen.
Kindan massierte sein Gesicht, um sich den Schlaf aus den Augen zu reiben und etwas Wärme in seine
Wangen zu bringen, und dachte sich, dass er zumindest an diesem Tag die Pflichten in der Küche erfüllen
würde. Er schlichtete Brennholz in den Ofen und zündete es an. Bald durchzog eine wohlige Wärme den
Raum und der Frühstücksbrei blubberte auf der Herdplatte der Vollendung entgegen. Das anregende Aroma von Klah stieg ihm in die Nase.
»Morgen«, grüßte Dakin, Kindans ältester Bruder, als er in die Küche gestapft kam. Er schenkt sich einen Becher Klah ein. »Bin ich froh, dass du als Erster auf-gestanden bist«, sagte er, während er an dem Klah schnupperte und sich die Hände am Becher wärmte.
»Heute wird in der Grube im Gedinge* malocht«,
fuhr er fort. »Natalon wird ganz sicher dafür sorgen, dass die gestern ausgefallene Arbeitszeit wieder wett-gemacht wird.«
»Ich wollte mich noch von Sis verabschieden«, erklärte Kindan.
Dakin zuckte die Achseln und schaute aus dem
Fenster, um am Stand der Sonne die Uhrzeit abzulesen.
* Akkordarbeit im Bergbau - Anm. d. Übers.
»Dann solltest du dich lieber beeilen. Die Händler brechen im Allgemeinen früh auf.«
Kindan flitzte zur Tür, doch Dakin rief ihm hinterher:
»Warte, nicht so hastig, Kindan. Wir füllen ein paar von den Bechern, die Deckel haben, mit Klah und bringen ihnen etwas Heißes zu trinken.« Mit schalkhaft
blitzenden Augen fügte er hinzu: »Heute Morgen fällt es ihnen vielleicht ein bisschen schwer, sich reisefertig zu machen.«
Am liebsten wäre Kindan den ganzen Weg zur Karawane gerannt, doch Dakin ermahnte ihn, ein gemächlicheres Tempo einzuschlagen. »Wenn sie schon fort sein sollten, Kindan, dann haben wir Pech gehabt. Aber falls sie noch hier sind und wir kommen mit leeren Bechern an, weil wir unterwegs alles Klah verschüttet haben, kriegen sie keinen Frühstückstrunk.«
Die Händler rüsteten sich zum Aufbruch, als Kindan und Dakin ihren Lagerplatz erreichten. Wagen wurden bepackt, die Zugtiere von ihren Weidegründen geholt und in die Geschirre gespannt. Kindan spähte in die Runde, in der Hoffnung, irgendwo das Mädchen Nuella zu entdecken. Doch zu seiner Verwunderung befand sich kein einziges Kind unter den Leuten, die zwischen den Wagen hin und her eilten.
»Schau, das muss der Wohnwagen von Sis und Terregar sein!« Dakin zeigte auf einen mit grellbunten Farben bemalten und abenteuerlich geschmückten Wagen, der ein wenig abseits vom Camp stand.
Er steuerte darauf zu, und Kindan folgte seinem Bruder auf den Fersen. Als sie das Camp durchquerten, huschten seine Blicke hin und her, doch immer noch gewahrte er nirgendwo ein Kind.
»Hallo, ihr da drinnen!«, rief Dakin, als sie sich dem Hochzeitswagen näherten. »Wir bringen euch heißes
Klah.«
Dakin grinste, als er hörte, wie sich im Wagen etwas rührte. Dann lugte Terregars Kopf zwischen den Fens-tervorhängen hervor.
»Heißes Klah?«, wiederholte er sehnsüchtig.
»Nun ja«, meinte Dakin und reichte die Becher hinauf. »Vielleicht ist er noch lauwarm. Von unserem Häuschen bis hierher ist es ein weiter Weg.«
Terregar beäugte misstrauisch den ersten Becher, den er entgegen nahm, doch eine schmale Hand schlängelte sich an ihm vorbei und schnappte sich den Becher, ehe er wusste, wie ihm geschah.
»Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Schwester«, rief Dakin gut gelaunt. Sein Lächeln zog sich in die Breite, als er Silstra stöhnen hörte. Er hatte mitbekommen, dass sie dem Wein gut zugesprochen hatte.
Terregar nahm ihm den zweiten Becher ab, wobei er
seinen Schwager mit einem vorwurfsvollen Blick strafte. Mit der freien Hand massierte er sich den Kopf.
»Nicht so laut, Dakin. Eines Tages wirst du auch heiraten und das Ereignis gebührend feiern. Am nächsten Morgen brummt dir der Schädel vom
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