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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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verteilte die Teigmasse in Backformen. »Jetzt fehlt ein Schichtführer - ich frage mich, woher sie einen neuen bekommen, der der Aufgabe gewachsen ist.«
    »Dalor, Kindan, meine Güte, ihr seht ja halb erfroren aus«, rief Jenella den Jungen zu, Milla das Wort ab-schneidend. »Milla, bist du so lieb und schenkst ihnen etwas von dem Glühwein ein? Ich würd's ja selbst tun, aber im Augenblick fällt mir das Aufstehen ziemlich schwer.«
    Jenella war im siebenten Monat schwanger. Kindan
    wusste, dass sie ihr letztes Baby verloren hatte. In jener Nacht war Silstra bei ihr gewesen, und als sie später nach Hause kam, hatte sie sich in den Schlaf geweint.
    »Ach du meine Güte!« Erschrocken drehte Milla sich um. »Es tut mir Leid, Jungs, ich hab euch nicht hereinkommen hören. In dem Schrank dort findet ihr Becher.
    Bedient euch selbst, ich muß die Kuchenformen in den Backofen schieben.«
    »Kein Problem, Milla«, erwiderte Dalor bereitwillig.
    Er war größer als Kindan und reichte mit Leichtigkeit an die Becher heran. Kindan vergegenwärtigte sich, dass er sich auf einen Schemel hätte stellen müssen, und wieder einmal fuchste es ihn, dass er offenbar im Wachstum zurückgeblieben war. Er war sechs Monate
    älter als Dalor, jedoch einen Kopf kleiner als er.
    Sie füllten die Becher mit dem heißen, gewürzten
    Wein - durch das Aufkochen hatte sich der meiste Al-kohol verflüchtigt, anderenfalls hätten die Jungen ihn nicht trinken dürfen - und suchten sich einen Platz auf der Bank. Dort saßen sie ganz still da, versuchten, möglichst nicht aufzufallen, und hofften, man würde sie eine Weile in Ruhe lassen. Aber im Grunde wussten beide, dass man ihnen schon bald wieder irgendeine Arbeit aufhalsen würde.
    »Natalon möchte mit dir sprechen, Kindan«, wandte
    sich Jenella an ihn. »Er wird gleich jemanden hierher schicken, der dich abholt.«
    »Ja, Ma'am ...« Dalor rammte ihm seinen Ellbogen in die Rippen und funkelte ihn warnend an, und hastig korrigierte sich Kindan: »Ja, meine Lady.«
    Kindan war sich nie sicher gewesen, wie er Dalors
    Mutter anreden sollte. Verglichen mit seiner Schwester kam sie ihm reichlich unbedarft vor - Sis war so viel tüchtiger als Jenella -, aber wenn Natalon dafür sorgte, dass aus Camp Natalon ein offizielles Bergwerk würde -
    die Zeche Natalon -, wirkte sich dies automatisch auf Jenellas gesellschaftlichen Rang aus. Dann bekäme sie die gleichen Rechte und Privilegien wie die Gemahlin eines Burgherrn.
    Doch um zu beweisen, dass sich eine Förderanlage
    lohnte, um die Lagerstätten auszubeuten, mussten sie zuerst einmal genügend Kohlenflöze erschließen. Und während der letzten Siebenspanne hatte die Arbeit im Bergwerk geruht, lediglich die Erkundungsteams waren in die Grube eingefahren.
    Es war Brauch, hatte Kindan die Erwachsenen sagen
    hören, dass man nach einem Grubenunglück den Berg—
    baubetrieb erst wieder aufnahm, wenn sämtliche Opfer geborgen und die Toten bestattet waren.
    »Weißt du schon, dass Zenor demnächst in der
    Schicht meines Vaters arbeiten wird?«, wandte sich Dalor an Kindan. »Jetzt, wo sein Vater nicht mehr lebt, ist er der einzige Verdiener, der die Familie ernähren muss.«
    »Und was wird aus seinem Schulunterricht?«, erkundigte sich Kindan.
    Dalor sah ihn grübelnd an und zuckte die Achseln.
    »Vermutlich schmeißt er die Schule ganz. Bei einem so strengen Lehrer wie Meister Zist könnte man ihn glatt darum beneiden.«
    »Du hast ja keine Ahnung!«, rief Kindan empört,
    ohne daran zu denken, wer noch in der Küche saß. Verschämt schielte er zu Dalors Mutter hin, ehe er murmelte: »Entschuldige, Dalor.«
    Ehe es zwischen den beiden Jungen zu einem Streit
    kommen konnte, betrat Meister Zist die Küche. »Kindan, würdest du bitte mit mir kommen?«
    Meister Zist führte ihn in den großen Raum, der normalerweise als Klassenzimmer diente. In dem Zimmer standen drei Tische; zwei lange, die man nebeneinander aufgestellt hatte, und davor ein kleiner. An diesem saß für gewöhnlich Meister Zist, mit dem Rücken zum Kamin.
    Natalon und Tarik hatten an einem der langen Tische Platz genommen. Der Steiger winkte Meister Zist und Kindan zu sich und bedeutete ihnen, sich ihm gegenüber zu setzen.
    »Kindan«, eröffnete Natalon das Gespräch. »Wie
    man mir sagte, ist es dein Wunsch, bei uns im Camp zu bleiben.«
    Kindan nickte. Bis jetzt hatte er noch gar nicht richtig darüber nachgedacht, was dieser Beschluss für ihn bedeutete. Er braucht eine Familie,

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