Drachenwege
die ihn bei sich aufnahm. Er hatte die Erwachsenen tuscheln hören, dass es nicht ginge, wenn er ganz allein in dem Cottage wohnte.
Ein Blick auf Tarik verriet ihm, wer Anspruch auf
dieses Quartier erhob. Jenella würde bald ihr Kind zur Welt bringen, und Kindan konnte es sich gut vorstellen, dass Tarik und seine Familie keine Lust hatten, sich ständig das Geplärre eines Neugeborenen anhören zu müssen.
Kindan verspürte eine Anwandlung von Groll, als er sich vorstellte, dass Tarik in das Häuschen ziehen würde, welches sein Vater für seine Familie gebaut hatte. Doch dann fiel ihm wieder die Frage ein, die ihm auf der Seele brannte, und auf die er unbedingt eine Antwort wollte.
»Sir«, wandte sich Kindan an Natalon, »was haben
die Nachforschungen ergeben?«
Natalon schaute Tarik von der Seite her an. Der
schien zu erstarren und maß Kindan mit einem
strafenden Blick.
»Die Resultate sind nicht eindeutig«, erwiderte Natalon. »Aber das ist nicht ungewöhnlich, wenn man die Ursachen für ein Grubenunglück herauszufinden versucht.«
Kindan drückte den Rücken durch und schickte sich
an, Natalon mit weiteren Fragen zu bombardieren. Doch der Steiger hielt eine Hand hoch, zum Zeichen, dass er mit seinen Ausführungen noch nicht fertig war.
»Wir vermuten«, fuhr er fort, »dass die Kumpel das Pech hatten, eine Gesteinsschicht zu bearbeiten, in der der Fels sehr locker saß. Durch den Einsatz von Spitzhacken brach die Firste ein und verschüttete die Männer.«
»Aber in dem Stollen roch es nach Gas«, wandte Kindan ein. »Dask sagte es mir, und sogar ich konnte die Stickluft riechen.«
Natalon und Tarik tauschten Blicke. Tarik schüttelte den Kopf. »Keiner der Männer, mit denen ich sprach, hat etwas von Stickluft erwähnt«, erklärte er.
»Bist du sicher, dass du Dask richtig verstanden
hast?«, vergewisserte sich Natalon.
»Angeblich muss man doch jahrelang trainieren, um
einen Wachwher zu verstehen«, murrte Tarik. »Und
diese Kreatur muss unter starken Schmerzen gelitten haben.«
»Man braucht nicht viel Zeit, um die Laute zu kennen, mit denen ein Wachwher Stickluft anzeigt«, widersprach Kindan. »Diese Tonfolge und alle anderen Signale, die vor einer drohenden Gefahr warnen, habe ich in null Komma nichts gelernt.« Er verschwieg jedoch, dass er seine Kenntnisse über Wachwhere von Silstra hatte, und auch seine Schwester wusste über diese Geschöpfe nicht besonders viel.
Tarik schüttelte den Kopf. »Es gab keine Anzeichen für Funkenschlag, und es brach auch kein Feuer aus.«
»Möglicherweise war es nur eine kleine Gassäule
oder eine Blase voller Gas«, mutmaßte Natalon und
strich sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn.
»Und die Explosion brachte dann den Stollen zum Einsturz.«
»Eine Ansammlung von Grubengas, die Dask nicht
rechtzeitig gemeldet hat?«, höhnte Tarik. »Nach Danils Prahlerei zu urteilen, muss man doch annehmen, das ein Wachwher eine geradezu magische Nase hat, der nicht die geringstes Spur von Stickluft entgeht.«
Kindan furchte ärgerlich die Stirn und funkelte Tarik wütend an. Meister Zist, der wohl befürchtete, sein Schützling könnte aus der Rolle fallen, rüstete sich rasch zum Einschreiten. Er fasste nach Kindans Arm und drückte ihn zur Warnung.
»Wenn jemand mit einem Bergeisen* auf eine
Methanblase traf und sich ein Funke entzündete, kam es zu einer Explosion, ehe der Wachwher einen Warnlaut von sich geben konnte«, hielt Natalon ihm entgegen.
»Siehst du?«, sagte Tarik und blickte triumphierend drein. »Was nützt ein Wachwher, wenn er seine Aufgabe nicht erfüllen kann? Ich finde, wir sollten froh sein, dass das letzte Exemplar krepiert ist. Ohne diese Biester kommen wir mit unserer Arbeit viel schneller voran.«
Natalon klappte den Mund auf und setzte zu einer
scharfen Entgegnung an, doch Meister Zist reagierte schneller und schnitt ihm das Wort ab. »Könnten wir vielleicht zum eigentlichen Thema dieser Zusammen-
* Spitzhammer der Bergleute zum Heraushauen und Bearbeiten des Gesteins mit Hilfe des Schlägels. Schlägel und Eisen bilden das bergmännische Wahrzeichen - Anm, d. Übers.
kunft kommen?«, fragte er mit schneidender Stimme.
»Wir sind hier, um zu beratschlagen, was aus Kindan wird.«
Natalon und Tarik blickten verdutzt drein, als hätten sie den Jungen völlig vergessen.
»Das Cottage ist für ihn allein viel zu groß«, beeilte sich Tarik zu sagen, der seine Gelegenheit gekommen sah, für sich und seine
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