Dracula, my love
nicht müde. Ich vermisste Jonathan. Ich fragte mich, wie es ihm wohl ging, und überlegte, was er in just diesem Augenblick machte. Ich versuchte, Schlaf zu finden, indem ich die Sterne über mir zählte, aber es gelang mir nicht. Ich wunderte mich über dieses seltsame, neue nächtliche Wachsein. Es war doch sicherlich kein Grund zur Beunruhigung? Ganz gewiss hatte nur die Tatsache, dass ich am Tag immer wieder einmal geschlummert hatte, meine Schlafgewohnheiten völlig auf den Kopf gestellt.
Ich sah, dass Dr. van Helsing einnickte, und versprach ihm, dass ich gern an seiner Stelle Wache halten wollte, da ich nicht müde war. Meine Worte schienen ihn traurig zu stimmen. Aber er erklärte sich bereitwillig einverstanden, legte sich auf seine Bettstatt und schlief sofort ein.
Ich saß aufrecht auf meinem Pelzstapel und wachte bis tief in die Nacht hinein. Schließlich muss ich jedoch trotz meiner besten Vorsätze eingeschlafen sein ..., denn ich hatte einen Traum.
Ich lag in diesem Traum auf meiner Decke beim Feuer, und kaum ein, zwei Fuß von mir entfernt schlief Dr. van Helsing. Nur der Scheitel seines silbergrauen Hauptes lugte unter der Pelzdecke hervor, in die er sich eingehüllt hatte. Während ich auf seine schlafende Gestalt blickte, überkam mich das Verlangen, mich ihm zu nähern, ihm mit den Fingern durch das silbrige Haar zu fahren, das im Schein des Feuers so schön schimmerte. Vorsichtig schob ich meinen Körper näher an den seinen. Als ich den Zipfel der Decke anhob, um sein Gesicht sehen zu können, lag dort jedoch nicht der Professor, sondern Jonathan, ein Jonathan, der um Jahrzehnte gealtert zu sein schien, ein Jonathan mit silbernem Haar! Er schien mir in seinem Schlummer so lieb und teuer, so friedlich. Mein Herz floss über vor Liebe zu ihm. Mich drängte es, ihn zu küssen. Als ich langsam meinen Kopf zu ihm herunterbeugte und seine stoppelige Wange mit den Lippen berühren wollte, verspürte ich in meinem Kiefer einen plötzlichen, nagenden Schmerz, und es überkam mich ein unstillbarer Durst.
Mich dürstete nach seinem Blut!
Mit einem Aufschrei wollte ich mich auf Jonathans Kehle stürzen.
Mina.
Ich wachte mit einem Ruck auf und stellte fest, dass ich über dem schlafenden Professor kauerte, dass meine Lippen nur noch wenige Zentimeter von seiner Kehle entfernt waren. Entsetzt und zutiefst gedemütigt fuhr ich zurück. Was um alles in der Welt machte ich da? Wer oder was hatte mir einen solchen verderbten Traum eingegeben? Und warum, o warum, hatte ich ihn in der Wirklichkeit ausgelebt? Ich hatte niemals wie Lucy eine Neigung zum Nachtwandeln gehabt. Und doch, wenn ich nicht aufgewacht wäre, hätte ich tatsächlich Dr. van Helsing gebissen!
Was geschah mit mir?
Von Panik ergriffen, betastete ich meine Zähne und entdeckte zu meiner Erleichterung, dass sie noch immer ihre gewöhnliche Form und Größe hatten.
Mina.
Draculas Stimme brach in meine Gedanken ein. Mit verwirrt pochendem Herzen wandte ich mich vom Professor ab, nur um geradewegs auf ein Paar hohe schwarze Stiefel zu schauen. Ich blickte auf und sah Dracula in Person vor mir stehen.
Ich sprang auf und warf mich in seine Arme, war so glücklich, ihn zu sehen, dass ich meinte, das Herz müsste mir zerspringen.
Gott sei Dank, dass du hier bist!, dachte ich.
„Wir können laut sprechen. Er wird nicht aufwachen.“ Dracula gab mir einen herzhaften Kuss und betrachtete mich dann im flackernden Feuerschein ganz genau. „Du siehst gut aus, wenn auch ein bisschen dünn. Das Leben im Freien scheint dir zu bekommen.“
„Ich hatte gerade einen schrecklichen Traum.“
„Das habe ich gehört.“
„Was für ein Tier ist aus mir geworden, dass ich solche Träume habe? Ich bin nicht besser als die drei Harpyien, die sich in deiner Burg auf Jonathan gestürzt haben!“
Das schien ihn ein bisschen aus der Fassung zu bringen, aber er sagte: „Ich denke, das Wort Harpyien beschreibt meine Schwestern recht gut.“ Dann küsste er mich erneut und sagte: „Ich habe dich vermisst, mein Liebling. Dich von weitem zu sehen und nicht in die Arme schließen zu können ... Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich nahe daran war, alles aufs Spiel zu setzen und bei dir zu erscheinen.“
„Hat mein Traum dich nicht beunruhigt?“
„Warum denn? Es war doch nur ein Traum.“
„Nein. Es war eine Warnung.“ Ich fröstelte, als eine düstere Vorahnung mich beschlich. „Du hast gesagt, es würde Folgen geben, Nicolae, und ich glaube, du hast
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