Dracula, my love
Lord Godalming scheint sich mit Reparaturen auszukennen, aber selbst er braucht einige Zeit, um den Motor wieder in Gang zu bekommen. Die Reiter haben an einem der Zuflüsse einen falschen Weg eingeschlagen und so einen ganzen Tag verloren. Das Ganze könnte einen schon wahnsinnig machen. Doch ich bin entschlossen, mein Gesicht erst zu zeigen, wenn alle an einem Ort versammelt sind. Es müssen diese Vier sein, die mich ins Jenseits schicken. Und zudem muss unbedingt der Professor dabei sein, um meinen augenscheinlichen Tod zu bezeugen.“
„Bist du sicher, wo immer auch dieses entsetzliche Treffen stattfindet, dass du ungeschoren davonkommen wirst?“
„Ja, solange es bei Nacht geschieht. Und ich werde mir größte Mühe geben, dass diese Bedingung erfüllt wird.“
„Und es wird dabei niemand verletzt werden?“
„Niemandem wird von meiner Hand ein Leid zugefügt, das verspreche ich dir.“ Er hielt inne und sagte dann: „Die Morgendämmerung zieht auf. Ich muss gehen, solange ich noch kann.“
„Wohin?“
„Zurück zum Fluss, um zu sehen, wie sie mit dieser Dampfbarkasse vorankommen. Ich habe eine große Strecke zurückzulegen, muss also eine andere Gestalt annehmen. In den nächsten ein, zwei Tagen wird es mir nicht möglich sein, dir meine Gedanken mitzuteilen.“
„Woher werde ich wissen, in welche Richtung wir fahren müssen?“
„Die Pferde kennen den Weg. Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie werden dafür sorgen, dass du in der Nähe, aber außer Sichtweite der Burg bleibst.“
„Wann sehe ich dich wieder?“
Er lächelte und küsste mich. „Wenn die anderen glauben, dass ich tot bin.“
Als Dr. van Helsing aufwachte, zwang ich mich, mein Frühstück zu essen, um den Schein zu wahren. Mir wurde davon so übel, dass es mir nur mit größter Mühe gelang, das Essen bei mir zu behalten. Wir packten unsere Habseligkeiten zusammen und fuhren weiter, folgten den ganzen Tag über einer holprigen Straße. Ich war außerordentlich müde und schlief während der gesamten Fahrt. Das Kutschieren überließ ich dem Professor in dem sicheren Wissen, dass die Pferde allein den Weg finden würden. Kurz vor Sonnenuntergang weckte mich ein Freudenschrei Dr. van Helsings.
„Da ist sie!“
Ich schlug die Augen auf und stellte fest, dass wir auf einer Bergkuppe angekommen waren. Der Himmel war grau und bewölkt, schwach von der sinkenden Sonne erhellt. Ein kalter Wind versprach Schnee. Unmittelbar vor uns erstreckten sich grün und golden sanfte Hügel und Täler, nur vom gewundenen hellen Band der Straße unterbrochen, die sie hier und dort querte. In weiter Ferne schlängelte sich der silberne Faden eines Flusses durch tiefe Schluchten zwischen großen, zerklüfteten, grünbewaldeten Bergen, die sich steil zum Himmel erhoben. Mein Herz hüpfte vor Überraschung angesichts eines Anblicks, der sich mir nur wenige Meilen entfernt bot. Inmitten dieser dichtbewaldeten Landschaft erhob sich ein sehr steiler Berg; und dort thronte majestätisch auf einer Felsenklippe eine alte Burg von äußerst dramatischer Erscheinung.
„Den ganzen Tag über versuchten die Pferde immer wieder, einen anderen Weg einzuschlagen“, sagte der Professor, „der uns in eine völlig andere Richtung gebracht hätte. Ich musste all meine Kraft aufwenden, damit sie meinen Befehlen folgten. Und ich hatte recht! Denn so sicher, wie ich lebe, ist dies Draculas Burg, genau wie sie Jonathan in seinem Tagebuch beschrieben hat.“
Ich starrte die Burg voller Verwunderung und Schrecken an. Ich war mir darüber im Klaren, dass Dracula uns nicht hier haben wollte, aber gleichzeitig war ich aufgeregt, weil ich Burg Dracula endlich mit eigenen Augen erblickte. Selbst aus dieser Entfernung und im trüben Licht des Spätnachmittags war das Gebäude wesentlich größer und herrlicher, als ich erwartet hatte. Es war uralt und viele Stockwerke hoch, aus grauem Stein mit einigen roten Ziegeln hier und da, und es hatte unzählige kleine Fenster und viele, mit roten Ziegeln gedeckte Türmchen in allen möglichen Größen, Formen und Höhen.
Außer der Burg auf ihrem Felsen war in der Landschaft kein anderes Zeichen menschlicher Ansiedlung auszumachen. Aus Jonathans Tagebuch wusste ich, dass die wenigen verstreuten Bauernhöfe der Gegend weit weg lagen und dass der nächste Weiler einen Tageritt entfernt war.
„Die Burg liegt so nah, dass wir sie nun zu Fuß erreichen können, wenn wir wollen“, sagte der Professor.
„Wir gehen besser nicht dort
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