Dracula, my love
ich dem Professor unter Hypnose die üblichen Berichte, in denen ich durchklingen ließ, dass Dracula immer noch in seiner Kiste auf dem Fluss reiste. Jede Nacht erschien mir Nicolae in meinen Gedanken und unterrichtete mich über die Fortschritte der anderen.
Jonathan und Lord Godalming halten jedes Boot an, das ihnen auf dem Fluss begegnet, und untersuchen es. Sie lassen nun auffällig eine rumänische Fahne flattern, um für ein Regierungsschiff zu gelten. Ein schlauer Trick. Aber natürlich finden sie nichts.
Was ist mit Dr. Seward und Herrn Morris?
Sie reiten immer noch rasch voran, ohne Zwischenfälle.
Das Land wurde wilder, je weiter wir kamen: Die mächtigen Ausläufer der Karpaten, die uns in Vereºti noch so fern und niedrig am Horizont erschienen waren, türmten sich nun ringsum vor uns auf. Einige Male erspähte ich eine Fledermaus, die hoch am Himmel über unserem Gefährt ihre Kreise zog, ehe sie in der Ferne verschwand. Zweimal meinte ich einen Wolf auszumachen, der im Unterholz kauerte und uns anstarrte. War das Nicolae, der über mich wachte?
Es waren nur noch sehr wenige Häuser zu sehen. Nachts konnten wir die Wölfe heulen hören. Zweimal überholte uns auf der unbefestigten Straße die Postkutsche von der Bukowina nach Bistritz, aber wir sahen keine Reiter und trafen unterwegs nur wenige Bauern. Es wurde von Stunde zu Stunde kälter. Schnee fiel, schmolz aber rasch wieder. Es lag eine merkwürdige Schwere in der Luft, aber vielleicht spürte ich diese Schwere nur in mir. Denn je weiter wir vorankamen, desto mehr schien mir das Blut in den Adern zu gefrieren und träge zu werden. Manchmal überfiel mich ein leichter Schwindel, ein anderes Mal konnte ich nicht aufhören, vor Kälte zu bibbern, trotz meines warmen Umgangs und der Pelzdecken, in die ich mich einhüllte.
„Wir sollten bald den Borgopass erreichen“, sagte der Professor, als wir durch die frühmorgendliche Dunkelheit des dritten Tages fuhren. „Die jetzigen Pferde werden wir behalten, da keine Aussicht auf einen nochmaligen Wechsel ist.“
Ich wusste, dass uns seine Landkarten schon bald nicht mehr viel Nutzen bringen würden. Jonathan hatte in seinem Tagebuch geschrieben, dass sie in Draculas rasch fahrender Kutsche nach wenigen Stunden die Burg erreicht hatten. Wenn wir die Burg vom Pass aus nicht sehen konnten, so würden wir keinerlei Vorstellung haben, wohin wir uns wenden müssten. Zudem war ich ein wenig unruhig, weil ich den ganzen Tag über noch nichts von Dracula gehört hatte.
Kurz nach Sonnenaufgang erspähten wir Rauch von einem Lagerfeuer und entdeckten eine Gruppe Zigeuner, die unweit der Straße in einem Dickicht ihr Lager aufgeschlagen hatte. Dieses Zusammentreffen sollte sich als außerordentlich bemerkenswert herausstellen.
„Lassen Sie uns diese Zigeuner nach dem Weg zu Draculas Burg fragen“, schlug der Professor vor, während er die Pferde zum Stehen brachte. Er kletterte vom Wagen, und ich gesellte mich zu ihm.
Als wir uns der Gruppe näherten, bewunderte ich den Zigeunerwagen. Er war in einem tiefen Dunkelrot bemalt und mit goldenen Schnörkeln verziert, hatte ein fassförmig gewölbtes Dach und gelbe Vorhänge an den Fenstern. Dr. van Helsing rief dem fahrenden Volk, das sich um das Lagerfeuer versammelt hatte, einen Gruß zu. Ein untersetzter Zigeuner mit schulterlangem schwarzem Haar und schwarzem Schnurrbart erwiderte mit einem zurückhaltenden Nicken, ohne zu lächeln. Die Frauen waren wunderschön, hatten sich gegen die Kälte in lange Umhänge gehüllt und ihre dunklen Köpfe mit bunten Tüchern bedeckt, die ihnen bis auf den Rücken fielen. Sie warfen uns misstrauische Blicke zu und beugten sich wieder über ihre Arbeit, die darin bestand, über dem Feuer ein Frühstück zuzubereiten.
„Sie sehen nicht sonderlich freundlich aus“, flüsterte ich dem Professor zu.
„Und doch könnten sie uns vielleicht helfen.“ Er äußerte seine Bitte in einer Sprache, die die der Zigeuner zu sein schien. Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, wandten sich alle Zigeuner völlig entsetzt ab und bekreuzigten sich. Der Mann, der uns so ruhig begrüßt hatte, sprang nun auf die Füße, schüttelte heftig den Kopf und stieß einen langen Schwall heftiger Worte aus, die ich nicht verstand.
„Was ist los?“, fragte ich Dr. van Helsing.
„Wenn ich es recht verstehe, weigert er sich, uns diese Auskunft zu geben - wenn er sie überhaupt geben kann -, und rät uns höchst eindringlich, dieser Burg ja
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