Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
Vom Netzwerk:
Weg, um die dortigen Kisten unbrauchbar zu machen. Wir anderen müssen nun geduldig warten, bis die beiden zurückkehren – oder bis der Graf kommt.

[ Menü ]
    |438| DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
     
    Dr. Sewards Tagebuch
     
    3. Oktober
    Die Zeit, während wir auf die Rückkehr von Godalming und Quincey Morris warteten, schien uns schrecklich lang. Der Professor bemühte sich, unsere Aufmerksamkeit rege zu erhalten, indem er uns ständig beanspruchte.
    Ich erkannte seine wohlmeinende Absicht aus den Seitenblicken, die er von Zeit zu Zeit auf Harker warf. Der arme Kerl ist in geradezu beängstigender Weise von seinem Schmerz überwältigt. Gestern Nacht noch war er ein freimütiger, glücklich aussehender Mann mit jugendlichem Antlitz, dunkelbraunem Haar und voller Energie – heute ist er ein gezeichneter, verhärmter älterer Herr, dessen weißes Haar gut zu den tiefliegenden Augen und den Leidensfalten seines Gesichtes passt. Seine Energie ist jedoch noch vorhanden, er kommt mir vor wie eine lodernde Flamme. Wahrscheinlich ist das seine Rettung, und im besten Falle wird es ihm über die Zeit der schlimmsten Verzweiflung hinweghelfen, bis er irgendwann wieder zum wirklichen Leben zurückzukehren vermag. Armer Bursche, ich hielt mein eigenes Leid schon für schlimm genug, aber verglichen mit ihm … Der Professor war sich dessen wohl bewusst, und er tat sein Möglichstes, Harker nicht ins Grübeln geraten zu lassen. Das, was er erzählte, war für uns unter den gegebenen Verhältnissen von größtem Interesse. Ich will es niederschreiben, so weit ich mich noch entsinnen kann:
    »Ich habe mehrfach sämtliche, mir über dieses Monster zur Verfügung stehenden Texte studiert, und je tiefer ich in die Materie eingedrungen bin, desto fester wurde meine Überzeugung, |439| dass es ausgemerzt werden muss. Es existieren deutliche Anzeichen dafür, dass es erstarkt und sich ausbreitet, und neben seiner Macht nimmt auch sein Bewusstsein der eigenen Stärke zu. Wie ich aus den Forschungsergebnissen meines Freundes Arminius in Budapest entnehmen konnte, war Dracula in seinem Leben ein erstaunlicher Mann, ein Soldat, Staatsmann und Alchemist, wobei die Alchemie damals die höchste Entwicklungsstufe der Wissenschaft darstellte. Er besaß einen mächtigen Verstand, verfügte über unvergleichliche Erfahrungen und hatte ein Herz, das weder Furcht noch Reue kannte. Er wagte es sogar, sich an die Scholomance 1 zu begeben, wo es keinen Zweig des Wissens seiner Zeit gab, in dem er sich nicht versuchte. Die Fähigkeiten seines Geistes überlebten seinen physischen Tod, wenn es auch so aussieht, als wäre sein Gedächtnis nicht immer ganz lückenlos. In einigen geistigen Dingen war er stets ein Kind, und er ist es noch immer. Andererseits wächst er auch, und so manches, was bei ihm einst kindisch war, hat nun die Stufe eines erwachsenen Mannes erreicht. Er experimentiert, probiert herum, und er macht dies sehr geschickt. Wenn wir nicht zufällig seinen Weg gekreuzt hätten, so würde er jetzt der Vater oder Förderer einer neuen Rasse sein, deren Weg den Tod durchschreitet, nicht das Leben. Und wenn wir versagen, wird er dies tatsächlich!«
    Harker stöhnte: »Und all dies tritt nun gegen meine liebe Frau an! Aber auf welche Weise probiert er herum, wie sammelt er seine Erfahrungen? Vielleicht gibt es hier etwas, das uns hilft, ihn zurückzuschlagen!«
    »Die ganze Zeit seit seiner Ankunft ist er schon damit beschäftigt, seine Kräfte zu erproben und sich in unserer Welt zurechtzufinden; sein großes Kinderhirn arbeitet. Zu unserem Glück ist es aber trotz allem noch immer ein Kinderhirn, denn hätte er von Anfang an gewagt, gewisse Dinge zu vollbringen, so wäre er längst jenseits unserer Möglichkeiten. Jedenfalls will er |440| seine Ziele erreichen, und als ein Mann, der noch Jahrhunderte vor sich hat, kann er es sich leisten, langsam vorzugehen und zu warten. ›Festina lente‹ 2 könnte sein Wappenspruch sein.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Harker erschöpft. »Bitte werden Sie deutlicher, wahrscheinlich hindern mich Schmerz und Sorgen am Denken.« Der Professor legte ihm sanft die Hand auf die Schulter und sprach weiter:
    »Ja, mein Junge, ich werde mich klarer ausdrücken: Sehen Sie nicht auch, wie dieses Monster sich sein Wissen auf experimentelle Weise aneignet, indem es Dinge einfach ausprobiert? Der Graf hat den Zoophagus-Patienten benutzt, um in das Haus unseres Freundes John zu gelangen, denn der Vampir muss ja

Weitere Kostenlose Bücher