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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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um Stunde. Ich sagte Madame Mina, sie solle doch versuchen, etwas zu schlafen, was sie auch tat. Sie schlief dann aber sehr lange, so lange, dass ich misstrauisch wurde und den Versuch unternahm, sie zu wecken. Es gelang mir nicht, sie schlief einfach weiter. Da ich nicht allzu grob mit ihr umgehen wollte und ja auch wusste, was sie alles durchgemacht hatte, ließ ich sie dann einfach in Ruhe. Ich denke, ich muss schließlich aber selbst weggenickt sein, denn das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich schuldbewusst zusammenzuckte, als ob ich irgendetwas verbrochen hätte. Wieder zu mir gekommen, saß ich kerzengerade auf dem Wagen, die Zügel in den Händen, die Pferde trotteten dahin wie bisher. Ich sah mich um und bemerkte, dass Madame Mina noch immer schlief. Es war nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang, über dem Schnee lagen die Strahlen in breiten, goldenen Fluten, und wir warfen lange, große Schatten bis dorthin, wo die Berge steil anstiegen. Wir fuhren aufwärts, es ging jetzt nur noch stetig bergan, und es wurde so rau und felsig um uns herum, als wären wir am Ende der Welt.
    |529| Nun konnte ich Madame Mina ohne besondere Schwierigkeit aufwecken. Da die Zeit gekommen war, versuchte ich sogleich, sie in Hypnose zu versetzen, aber es gelang mir nicht. Was auch immer ich tat, sie schien es gar nicht zu bemerken. Noch mitten in meinen Bemühungen stellte ich dann fest, dass es um uns her finster geworden war, die Sonne war verschwunden. Madame Mina aber lachte, sie war wieder vollkommen munter und sah so wohl aus, wie sie seit jener Nacht in Carfax, als wir das erste Mal das Haus des Grafen betraten, nicht mehr ausgesehen hatte. Ich war erstaunt, und die Sache war mir nicht geheuer, aber Madame Mina war so freundlich und fürsorglich, dass ich alle Furcht vergaß. Ich zündete ein Feuer an, denn wir haben Holzvorräte mitgebracht. Sie machte sich daran, das Abendbrot vorzubereiten, während ich die Pferde abschirrte, sie an einem geschützten Platz festband und fütterte. Als ich dann ans Feuer zurückkehrte, hatte Madame Mina das Essen schon fertig. Ich wollte ihr etwas zureichen, aber sie lächelte und sagte, dass sie bereits gegessen habe, da sie vor Hunger nicht mehr habe warten können. Das gefiel mir gar nicht, und ich hatte große Zweifel an ihren Worten. Zugleich fürchtete ich aber, sie zu erschrecken, und so aß ich schweigend allein. Dann wickelten wir uns in die Pelze und legten uns neben das Feuer. Ich sagte ihr, dass sie schlafen solle, während ich Wache hielt. Aber bald hatte ich vergessen, dass ich wachen wollte, und ich schlief ein. Wenn ich dann des Nachts plötzlich auffuhr, fand ich sie jedes Mal ruhig, aber munter daliegen und mich mit fröhlichen Augen anblinzeln. Dies passierte öfter; ich muss also ziemlich viel geschlafen haben, bevor der Morgen kam. Als ich vorhin erwachte, versuchte ich wieder, sie zu hypnotisieren, aber obwohl sie gehorsam die Augen schloss, konnte sie nicht einschlafen. Die Sonne stieg höher und höher, und als der Schlaf schließlich über sie kam, war es für die Trance zu spät, aber sie schlief so tief, dass sie nicht mehr aufzuwecken war. Nachdem ich die Pferde angespannt und alles zur Abfahrt vorbereitet hatte, musste ich sie aufheben und schlafend in den |530| Wagen legen. Sie sieht in ihrem Schlummer noch gesünder und frischer aus als zuvor. Das ist es aber gerade, was mir nicht gefällt. Ich hege große Befürchtungen, ich fürchte alles, sogar das Denken fürchte ich, aber ich muss meinen Weg weitergehen. Es handelt sich um Leben oder Tod, sogar um mehr als das, und wir dürfen nicht zurückschrecken.
     
    5. November, morgens
    Mein lieber John, lassen Sie mich Ihnen alles genau berichten. Obwohl wir beide gemeinsam schon so viele seltsamen Dinge erlebt haben, könnten Sie jetzt vielleicht doch glauben, dass ich, van Helsing, verrückt geworden wäre, dass die zahlreichen Schrecken und die andauernden Angriffe auf meine Nerven mich schließlich doch noch um meinen Verstand gebracht hätten.
    Wir fuhren den ganzen gestrigen Tag hindurch und gelangten immer tiefer ins Gebirge hinein, in Landschaften, die immer einsamer und wilder wurden, vorbei an tief gähnenden Abgründen und hohen Wasserfällen. Es sah aus, als hätte die Natur hier Karneval gefeiert. Madame Mina schlief ununterbrochen, und obwohl ich Hunger bekam und diesen stillte, konnte ich sie nicht einmal zu einer Mahlzeit aufwecken. Ich begann zu fürchten, dass sich der

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