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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Anstrengungen und der Ruhelosigkeit der letzten Tage einen Streich spielte. Narrten mich meine eigenen Erinnerungen an Jonathans Aufzeichnungen, an all seine fürchterlichen Erlebnisse an diesem Ort? Die Schneeflocken und der Nebel tanzten und wirbelten in wilden Kreisen um uns herum. Da glaubte ich wieder, die durchsichtigen Schatten der gespenstischen Frauen zu erkennen, die Jonathan hatten |533| küssen wollen. Unsere Pferde drängten sich immer enger und enger zusammen, und ihre Angstrufe klangen nun beinahe wie menschliche Schmerzensschreie. Aus lauter Furcht wagten sie nicht einmal, sich loszureißen und zu fliehen. Die unheimlichen Schatten im Schneetreiben schienen näher zu kommen, bald darauf tanzten sie im großen Kreis um uns herum. Ich fürchtete um Madame Mina, aber als ich mich nach ihr umsah, saß sie ruhig da und lächelte mir zu. Ich wollte noch einen Versuch unternehmen, unser Feuer zu erhalten, aber da hielt sie mich fest und flüsterte mit leiser Stimme, wie im Traum.
    »Nein, nein! Gehen Sie nicht hinaus. Hier sind Sie sicher!« Ich drehte mich zu ihr um und sah ihr in die Augen.
    »Und Sie? Um Sie ängstige ich mich!« Da lachte sie ein leises, unwirkliches Lachen und erwiderte:
    »Angst um
mich?
Warum denn um
mich?
Niemand auf der Welt ist vor
denen
sicherer als ich!« Als ich mir den Sinn ihrer Worte noch zu erklären suchte, ließ ein Windstoß die kleine Flamme unseres Feuers hoch aufflackern, sodass ich die rote Narbe auf ihrer Stirne erblickte. Da allerdings begriff ich. Und hätte ich es noch immer nicht verstanden, so hätte ich es bald darauf gelernt, denn die wirbelnden Gebilde aus Nebel und Schnee kamen immer näher, hielten sich aber außerhalb des geweihten Kreises. Dann begannen sie sich zu materialisieren, bis in realen Körpern wahrhaftig die drei Frauen vor mir standen, die es in der Burg nach Jonathans Hals gelüstet hatte. Ich fürchtete, Gott hätte mir den Verstand genommen, aber ich sah sie mit eigenen Augen: Ich erkannte die schwellenden, üppigen Formen, die klaren, grausamen Augen, die weißen Zähne, die rötliche Farbe und die wollüstigen Lippen, die Madame Mina zulächelten. Die drei schlangen ihre Arme ineinander, zeigten flüsternd auf Madame Mina, winkten ihr zu und säuselten in so süßen Tönen, dass Jonathan sie mit dem schrilles Sirren eines Glases beschrieben hatte, dessen Rand man reibt:
    »Komm, Schwesterchen, komm! Komm zu uns! Komm!« Voller |534| Angst wandte ich mich Madame Mina zu, aber als ich sie sah, loderte mein Herz vor Freude auf, denn in ihren schönen Augen lag ein solcher Ausdruck von Entsetzen und Abscheu, dass ich wieder Hoffnung zu fassen wagte. Gott sei gedankt, sie gehörte noch nicht zu jenen! Ich raffte alles brennbare Holz in unserer Nähe zusammen, hielt ein Stück einer Hostie schützend vor mich und ging auf das Feuer zu. Die drei zogen sich vor mir zurück und lachten ein schauerliches, tiefes Lachen. Ohne Angst legte ich das Holz in die Glut, denn ich wusste, welch starke Macht uns beschützte. Mir konnten sie nicht nahekommen, solange ich eine solche Waffe trug, und Madame Mina nicht, solange diese sich in dem Ring aufhielt, den sie selbst ebenso wenig verlassen konnte, wie jene in ihn einzudringen vermochten. Die Pferde hatten unterdessen zu wiehern aufgehört. Sie lagen still auf der Erde, und der Schnee bedeckte sie langsam und leise. Als ich bemerkte, dass sie immer weißer wurden, wusste ich, dass die armen Tiere sich nie wieder fürchten müssten.
    So saßen wir dann beieinander, bis das Rot des Morgenhimmels durch das Schneegestöber drang. Ich war verzweifelt gewesen, verschreckt und voller Sorgen, als aber die herrliche Sonne am Horizont emporstieg, zog neues Leben in mich ein. Bei den ersten Anzeichen der Morgendämmerung vermischten sich die Gespenster allmählich wieder mit dem stöbernden Schnee, um darauf wie Nebelschwaden in Richtung der Burg zu entschwinden.
    Trotz unserer aufwühlenden Nacht wollte ich bei Beginn des Morgengrauens unsere Hypnose vollziehen, aber Madame Mina lag in einem so tiefen Schlaf, dass ich sie nicht zu wecken vermochte. Ich versuchte darauf, sie im Schlaf zu hypnotisieren, aber sie reagierte nicht auf mich. So wurde es Tag. Ich fürchtete mich noch immer, den Platz zu verlassen, dennoch habe ich das Feuer wieder angeschürt und nach den Pferden gesehen, sie sind alle tot. Heute werde ich viel zu tun haben, aber ich muss noch abwarten, bis die Sonne höher steht. Ich werde nämlich

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