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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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lassen und rief deshalb nach dem Maat. Nach wenigen Augenblicken kam er in seinem Schlafzeug aufs Deck gelaufen. Er sah wild und verstört aus, und ich fürchte, dass sein Verstand Schaden genommen hat. Er trat dicht an mich heran und flüsterte mir voll Entsetzen ins Ohr, als hätte er Angst, dass die Luft um uns herum ihn hören könne: »Es ist hier, ich weiß es jetzt. Auf Wache letzte Nacht habe ich Es gesehen, so groß wie ein Mensch, mager und totenbleich. Es stand am Bug und sah aufs Meer hinaus. Ich schlich mich hinter das Gespenst und stach mit meinem Messer nach ihm; aber das Messer ging einfach hindurch, wie durch Luft …« Während er sprach, nahm er sein Messer und fuchtelte wild damit herum. Dann fuhr er fort: »Aber Es ist hier und ich werde Es finden. Es ist im Laderaum, vielleicht in einer der Kisten. Ich werde sie öffnen, eine nach der anderen, und nachsehen. Sie bleiben so lange am Steuer.« Und mit einem warnenden Blick, den Finger an den Lippen, ging er hinunter. Indessen waren Böen aufgekommen, und ich durfte das Ruder nicht verlassen. Mit einer Werkzeugkiste und einer Laterne kam der Maat wieder an Deck und begab sich nach vorn zur Ladeluke. Ich dachte bei mir: Er ist verrückt, vollkommen wahnsinnig, und jeder Versuch, ihn aufzuhalten, wäre vergeblich. Den großen Kisten kann er nichts anhaben; sie sind als »Tonerde« deklariert, und sie etwas herumzustoßen schadet niemandem. So stehe ich nun hier, achte auf das Steuer und schreibe meine Notizen. Ich kann nichts tun als auf Gott vertrauen und warten, bis der Nebel sich aufklärt. Dann, wenn ich mit dem herrschenden Wind keinen Hafen anlaufen kann, werde ich die Segeltaue kappen, still liegen und »Hilfe« signalisieren …
     
    Nun ist bald alles vorbei. Gerade hoffte ich noch, dass der Maat etwas beruhigter wiederkommen würde – ich hörte ihn unten im Schiffsraum klopfen, diese Arbeit schien mir gut für ihn –, da |128| gellte die Luke herauf plötzlich ein furchtbarer Schrei, der mir das Blut gerinnen ließ. Dann sprang er wie aus der Kanone geschossen an Deck – ein rasender Tobsüchtiger, mit rollenden Augen und verzerrtem Gesicht. »Retten Sie mich! Retten Sie mich!«, brüllte er und blickte Hilfe suchend im Nebelgrau um sich. Sein Entsetzen verwandelte sich augenblicklich in Hoffnungslosigkeit, und mit tonloser Stimme sagte er: »Es ist besser, Kapitän, Sie kommen gleich mit mir, ehe es zu spät ist.
Er
ist hier, ich kenne das Geheimnis jetzt. Aber die See wird mich vor Ihm retten, es gibt keinen anderen Ausweg!« Und ehe ich noch ein Wort erwidern oder auf ihn zutreten konnte, um ihn zu halten, war er schon auf die Reling gesprungen und hatte sich ins Meer gestürzt. Ich glaube, auch ich kenne nun das Geheimnis: Er selbst war der Wahnsinnige, der die Leute, einen nach dem anderen, verschwinden ließ, und nun ist er ihnen gefolgt! Gott helfe mir! Wie soll ich all das nur verantworten, all diese Gräuel, wenn ich in den Hafen komme?
Wenn
ich in einen Hafen komme! Wird das wohl noch der Fall sein?
     
    4. August
    Immer noch Nebel, den kein Sonnenaufgang durchdringt. Ich weiß, dass jetzt gerade die Sonne aufgeht, denn ich bin Seemann, aber erkennen kann ich es nicht. Ich durfte nicht hinuntergehen, durfte das Steuer nicht verlassen; so stand ich also die ganze Nacht hier, und in der Finsternis sah ich Es dann auch.
Ihn
! Gott vergib mir, der Maat hat recht getan, über Bord zu gehen, es ist besser, wie ein Mann zu sterben. Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn ein Seemann seinen Tod in den blauen Fluten sucht, aber ich bin Kapitän, und ich darf mein Schiff nicht verlassen! Ich will den Feind, das Ungeheuer, bekämpfen. Ich werde meine Hände an das Ruder binden, wenn meine Kräfte zu schwinden beginnen, und etwas darumwickeln, damit Es oder Er das Steuer nicht berühren kann. Und dann möge guter Wind kommen oder nicht: Ich habe meine Seele und meine Ehre als Kapitän gerettet …
    |129| Ich werde schwächer, und die Nacht bricht schon herein. Wenn ich Ihn wieder von Angesicht zu Angesicht sehe, werde ich wohl keine Zeit mehr haben zu handeln … Wenn wir schiffbrüchig werden, mag man diese Flasche finden, und die, welche sie finden, werden das alles vielleicht verstehen. Wenn nicht, dann soll man wenigstens wissen, dass ich meiner Pflicht treu geblieben bin. Gott und die Heilige Jungfrau und alle Heiligen, helft einer armen Seele, ihre Schuldigkeit zu tun …
     
    Ohne Zweifel entspricht diese Darlegung den Tatsachen.

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