Dracyr – Das Herz der Schatten
gleicher Stufe verkehrt, aber Sam ignoriert das gerne, wenn sie sich im Pferch aufhalten, und Damian genieÃt es insgeheim.
» Wir gehen durch Schleuse fünf hinein « , keucht Sam und muss stehen bleiben, um sich die fülligen Seiten zu halten. » Euer Vater? «
» Ich lasse nach ihm suchen « , fertigt Damian ihn unwirsch ab. Als hätte er Lord Harrynkars Hilfe nötig, wenn es nur um einen tobenden Kemmer geht!
Schleuse fünf ist ein schweres Eisentor in der unteren Ebene, das mit armlangen Riegeln und zusätzlich einer Kette gesichert wird. Sam schlieÃt die Kette auf, und Damian hilft ihm, die Riegel zu öffnen. Er hört jetzt schon das Donnern, mit dem der Kemmer gegen die Mauern seines Pferches tritt, und sein stöhnendes, röhrendes Brüllen.
» Weshalb dreht er so durch? « , fragt Damian, während sie die Tür wieder hinter sich schlieÃen. Sie gehen durch die lichtlose Finsternis der Schleuse, aber beide sind diesen Weg so oft gegangen, dass ihre FüÃe keine Anleitung durch die Augen mehr benötigen.
» Ich weià es nicht. Er lag in einem Moment noch friedlich schlafend in seinem Nest und plötzlich fing er an zu toben. Er hätte Jamie fast zertrampelt. «
» Gut, dass er noch kühl ist « , murmelt Damian.
Sam schiebt sich an ihm vorbei und öffnet die Innentür, die nur mit einem einfachen Riegel gesichert ist. Die Schleuse ist so eng und niedrig gebaut, dass ein Dracer, der sie betritt, keinen Anlauf nehmen und seine Schwingen nicht entfalten kann. Deshalb stellt die AuÃentür ein unüberwindbares Hindernis für einen Dracer dar, zumal sie mit einem Zauber imprägniert ist, der Feuer und Säure abweist, wie alle Mauern und Trennwände des Pferches.
Die durch Fackeln erleuchtete Haupthalle des Pferches hallt wider von den Schreien und Geräuschen des Kemmers und der Unruhe, die sein Toben bei den anderen Dracyr hervorruft. » Ich sehe schnell bei Noctyria vorbei « , ruft Damian, von Sorge um seine Wyvern gepackt. » Sie war in den letzten Tagen so unruhig. «
Sam nickt und winkt. » Geh, mein Junge. Vielleicht weià sie, was mit dem Kemmer los ist. «
Mein Junge. Damian schüttelt den Kopf, während er mit schnellen Schritten an den Nestern vorbeiläuft. Kaum ist er mit Sam hier unten, verliert der Wächter jeden Respekt vor ihm.
Smaragdgrüne, ockerfarbene, goldene und tiefblaue Köpfe heben sich, halbkugelförmige Augen, irisierend wie Opale oder Schmetterlingsflügel, blicken ihn an, erkennen ihn, lassen die Nickhäute vorgleiten. Er tätschelt hier ein paar warme Nüstern, flüstert da einige sanfte Worte. Dies ist seine Familie, er gehört ebenso zur Horde wie jeder der Dracyr.
Er gelangt zum Nest, das Noctyria gehört. Die blutrote Wyvern steht aufgerichtet da, den Hals gereckt, die Flügel entfaltet. Er hört ihr nervöses Knurren, das tief aus ihrem Kehlsack dringt, und reibt fest über ihre Flanke. » Tyria « , flüstert er. » Ich bin hier. Ich bin hier. «
Sie senkt den schweren Kopf und er sieht ihr in die Augen. Der Sog ist so stark wie beim ersten Mal, als er einem Dracer begegnete. Noch ehe sein Vater eine Warnung aussprechen konnte, hatte Damian, noch ein kleiner Junge damals, alle Ermahnungen vergessend, einen Blick mit dem schneeweiÃen Warner getauscht und war augenblicklich gebannt auf seinem Platz stehen geblieben. Eine ganze Stunde hatte der Warner ihn festgehalten, bevor er Damian entlieÃ.
Danach war er ein anderer geworden. Er erinnerte sich nicht mehr an das, was vorher gewesen war. Für ihn existierte nur noch das Gefühl, das sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, als er mit einem Dracer verbunden gewesen war. Es war wie eine Sucht, ein unstillbares Verlangen, das ihn immer wieder in den Pferch hinuntergetrieben hatte, wo er Sam half, die Nester und die Dracyr zu säubern und sich um die Jung-Hyrler zu kümmern.
» Tyria « , wiederholt er leise und schabt der Wyvern über die weichen Nüstern. Sie legt den Kopf gegen seine Schulter. Die seitlichen Nickhäute schieben sich über ihre Feueropal-Augen und sie seufzt tief. Damian lässt seine Stirn auf ihrer Hornplatte ruhen und versenkt sich in ihrem Geist. Er muss Sam helfen, deshalb hat er nur Zeit für einen oberflächlichen Rapport.
Feuer und Schatten. Kaltes, kristallglänzendes Eis. Blut. Schreie. Angst und Schmerzen.
Weitere Kostenlose Bücher