Dracyr – Das Herz der Schatten
Granate, Korallen und Vulkanglut, die schlanke Gestalt Noctyrias.
Gormydasâ Herz schlug schneller, er sog zusätzlichen Atem durch die seitlichen Ãffnungen, als würde er schneller fliegen oder zum Angriff ansetzen. Noctyria roch so gut. Kay hatte sie noch nie zuvor im freien Flug sehen und ihre Bewegungen beobachten können, die stark waren und anmutig, voller Schönheitâ ebenso wie ihr Schuppenkleid, das im Licht funkelte und schimmerte wie eine Ansammlung köstlicher Juwelen.
Gormydas gurrte tief in der Kehle und warf sich herum, flatterte auf der Stelle, bis er eine Luftströmung fand, die ihn trug. Kay reckte den Hals und stellte Gormydasâ Kragen auf. Das brachte ihn kurz ins Trudeln, aber er fing sich mit einem kurzen Schlag seiner Flügel ab und stellte sich quer zum Wind.
Noctyria warf Kay einen Seitenblick zu und flog unbeirrt weiter. Jeder Schlag ihrer Flügel, jedes Zucken ihres Schweifes sagte deutlich: Angeber. Ich bin nicht beeindruckt.
Gormydas schnaufte und schraubte sich in die Höhe. Kay trieb ihn höher und höher, dann lieà der Dracer sich steil hinabfallen, auf die unbeirrt weiterfliegende Noctyria zu. Die Wyvern schlenkerte grazil zur Seite, aber Gormydas folgte dem Ausweichmanöver. Er lieà sich das letzte Stück mit angelegten Flügeln fallen und packte Noctyria mit seinen Zähnen und Klauen an Hals und Körper. Die Wyvern schrie wie ein Mensch und warf sich in der Luft auf den Rücken, biss Gormydas in die Schulter. Beide ineinander verkeilten, verbissenen Dracyr stürzten wie Steine dem Boden entgegen.
Kay hörte ein atemloses, raues Lachen, einen wortlosen Zuruf, dann tauchte sie wieder tief in Gormydasâ Inneres und den wilden Tanz, den er mit der Wyvern tanzte. Der Sturz endete jäh in der Höhe einiger Baumwipfel, die beiden Dracyr trennten sich und kurvten umeinander herum wieder in die Höhe. Jetzt hatte auch Noctyria ihren Zackenkamm und die kleinere, durchscheinende Halskrause aufgestellt und ihre Augen flammten wie helle Lampen. Kay erwiderte ihren Blick und erkannte Damian, der sie aus den Draceraugen ansah. Sie lachte atemlos, Gormydas grollte tief in der Kehle und zog mit Kraft hinter der elegant in die Höhe steigenden Noctyria her.
Und wieder begann der Tanz von vorne. Steigen und Fallen, Blicke und FeuerstöÃe, die dicht über Kopf und Rücken fauchten, ineinander verklammerte Körper und heftig pumpende Flanken, Sturzflüge und Schweben im Aufwindâ¦
Kay verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum. Der Morgen wich heiÃer Mittagsglut, die sengende Sonne stieg in den Zenith und begann zu sinken, der Himmel färbte sich indigoblau, rote und gelbe, lichtblaue und violette Wolkenstreifen kündeten vom nahenden Abend, die ersten Sterne blitzten am immer noch von der untergehenden Sonne bestrahlten Firmament.
Endlich trennten sich die beiden Dracyr, schlangen ein letztes Mal die Hälse umeinander, tauschten einen Blick, der Menschen und Dracyr, Seelen und Körper verschlang.
Noctyria drehte als Erste ab und flog mit langsamen, müden Flügelschlägen zurück zur Burg und Gormydas folgte ihr träge.
Kay erwachte mit einem Ruck aus der Trance, als wäre sie aus einer geringen Höhe aus der Luft auf ihr Bett gefallen. Ihre Sinne vibrierten wie angeschlagene Saiten, und sie war so matt, dass sie es nicht fertigbrachte, auch nur den Kopf zu heben. Sie schob ihre Hand millimeterweise über die Matratze, suchte nach Halt und Orientierung. Es war dunkel und kalt.
Sie berührte Finger, die zuckten und sich um ihre Hand schlossen. Ein schwacher Druck, so matt wie der eigene, und dennoch tröstlich. Sie stöhnte und rückte in kleinen, schmerzhaft anstrengenden Bewegungen auf die Hand, den dazugehörigen Körper zu, bis sie sich berührten und Kay die Wärme spürte, die von ihm ausging. Sich wärmen. Nicht allein sein. Gormydas war fort, sie fühlte sich so einsam in ihrem Kopf. Noch nie zuvor war sie einen ganzen, langen Tag mit Gormydas zusammen gewesen und seine Abwesenheit schmerzte wie ein amputiertes Glied. Kay drehte sich mühsam herum und schmiegte sich an den Menschen, der neben ihr auf ihrem Bett ruhte. Der regte sich, streckte einen Arm und zog sie noch enger an seine Brust. Frieden. Schlaf. Wärme.
Er liegt in der Dunkelheit, gleichzeitig todmüde und hellwach. Alle Sinne sind geschärft, sensibel bis über jede
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