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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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Mary! «
    Â» Seine Lordschaft? Lord Harrynkar? «
    Mamsell Ellinor zog ihr unsanft die schmutzige Bluse von den Schultern. Kay japste und bedeckte ihre Blöße mit den Händen. Sie fühlte sich nackt in ihrem dünnen Unterkleid.
    Â» Lord Damian « , antwortete die Mamsell ungeduldig. » Nicht schwatzen, Kind, wasch dich hier. « Sie schob Kay in eine Ecke des Zimmers, wo hinter einem Paravent eine Waschschüssel und ein Stück Seife auf sie warteten. » Beeile dich. «
    Kay schrubbte sich und rubbelte sich mit einem rauen Handtuch, so gut es ging, trocken, während die Mamsell sie antrieb. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Auf einem Tischchen neben dem Fenster stand wie vergessen ein Teller mit geschältem Obst und einem scharfen, kleinen Messer. Während die Mamsell sich mit den Kleidern beschäftigte, die Mary hereingebracht hatte, schnappte Kay sich das Messer und verbarg es in ihrem Unterkleid. Sie wollte nicht ohne eine Waffe unter die Augen des jungen Lords treten. Er war nicht ihr erkorener Feind, aber wenn die Chance bestand, dass sie Lord Harrynkar begegnen würde, wollte sie gewappnet sein– und sei es auch nur mit einem unzureichenden, lächerlichen Obstmesser.
    Nun wurde sie mithilfe zweier Mädchen in ihre frischen Kleider gesteckt, frisiert und unter die kritischen Augen der Haushälterin geschoben, die sie hin- und herdrehte, zupfte und ordnete und dann ein wenig resigniert nickte. » Besser geht es nicht. Ab mit dir, lauf! «
    Kay blieb wie angenagelt stehen, während ihr Herz bis zum Hals schlug. » Ich weiß nicht, wo sich die Gemächer seiner Lordschaft befinden « , sagte sie mit trockenem Mund. So nah war sie ihrem Ziel noch nie gekommen, warum jubilierte sie nicht?
    Die Mamsell unterdrückte ein Seufzen, griff nach ihrem Schlüsselbund, hakte ihn am Gürtel fest und schob Kay zur Tür. » Beweg deine Füße « , kommandierte sie.
    Kay folgte der schnell ausschreitenden Mamsell durch einen schmalen Gang, der an einer Treppe endete, die sie noch nie zuvor betreten hatte. Sie erklommen die steilen Stufen, die sich spiralig nach oben wanden. » Das ist der südliche Hauptturm « , erklärte die Haushälterin, als sie auf einem Absatz kurz haltmachten, um zu verschnaufen. Dann ging es weiter bis zu einer großen Eichentür, die erst aufgesperrt werden musste, bevor sie in einem düsteren, schmalen Gang landeten, der kahl und wenig einladend wirkte. » Du gehst jetzt hier bis zum Ende « , erklärte Mamsell Ellinor und rasselte ungeduldig mit ihren Schlüsseln. » Dann rechts herum und eine kleine Treppe hinauf. Die Tür am Ende der Treppe ist dein Ziel. Und nun eil dich! «
    Â» Befinden sich Lord Harrynkars Gemächer auch in diesem Teil der Burg? « , fragte Kay. Ihre Lippen fühlten sich taub an und ihre Hände kribbelten.
    Die Haushälterin warf ihr einen erstaunlich mitfühlenden Blick zu. » Nein, keine Sorge « , sagte sie. » Seine Lordschaft wohnt im oberen östlichen Teil der Burg. Du wirst ihm nicht begegnen. « Nicht dem Teufel selbst, sagte ihr Blick. Nur seinem Sohn.
    Kay presste die Lippen zusammen und nickte. Sie senkte den Kopf, um ihre Enttäuschung zu verbergen, aber was sie nicht verbergen konnte, war das Zittern ihrer Hände.
    Mamsell Ellinor legte kurz die Hand auf ihre Schulter » Geh jetzt, Kind « , sagte sie und schob Kay in den Gang.
    Die Tür am Ende des Ganges war aus schwarzem Holz, alt und schimmernd glatt poliert. Der Türknauf hatte die Form eines Löwenkopfes. Kay schob die Hände in ihren Rockbund, ertastete das Messer und zog es heraus, um es griffbereit in ihrer Schürzentasche zu verstauen. Dann atmete sie tief durch und klopfte an.
    Eine gedämpfte Antwort erscholl und sie drückte die Tür auf. Einen Moment lang von dem Anblick überwältigt, der sie erwartete, blieb sie in der Tür stehen. Hohe Fenster ließen den Blick in den Himmel frei. Das Zimmer schien in den Wolken zu schweben. Weit hinten, in der dunstigen Ferne, waren schattenhaft die schneebedeckten Gipfel des Corion-Massivs zu erkennen und durch das nördliche Fenster ein dunkler Streifen Nadelwald. Kay atmete scharf ein, weil ein schmerzhaftes Gefühl von Heimweh und Trauer sie überfiel.
    Â» Karolyn Donne « , riss die samtige Stimme des jungen Lords sie aus ihrer Betrachtung. Kay erschrak und vollführte einen hastigen Knicks.

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